Lächerlich klein

Viele von uns waren schon massiv enttäuscht, wie lächerlich klein ein Hindernis erscheint, wenn man es im Nachhinein auf Bildern sieht. Während des Anreitens war der Baumstamm nämlich riesig. Doch woran liegt das?

Vorweg: Unsere Augen sind eine seltsame Konstruktion. Das war den Menschen schon vor Jahrtausenden klar. Bereits der griechische Mathematiker Euklid beschrieb vor fast 2400 Jahren unter anderem Probleme mit der Größenkonstanz. Der muslimische Mathematiker Alhazen stellte vor über 1000 Jahren als erster die Hypothese auf, dass die Sehwahrnehmung im Gehirn und nicht im Auge stattfindet.

Heute wissen wir, dass es Zusammenhänge zwischen der Größe eines Gegenstands, der Entfernung und der wahrgenommenen Größe gibt. Dabei spielt besonders der Winkel eine Rolle unter dem das Objekt wahrgenommen wird. Ein Hindernis sehen wir vom Pferd aus, aus einem anderen Blickwinkel, als wenn wir uns zu Fuß bewegen oder ein Bild betrachten.

Kennt jeder, der Fotos von sich beim Springen hat: Das Hindernis wirkt auf dem Bild viel kleiner als beim Anreiten. (© Andizo, Wikipedia)

Kennt jeder, der Fotos von sich beim Springen hat: Das Hindernis wirkt auf dem Bild viel kleiner als beim Anreiten. (© Andizo, Wikipedia)

Zudem spielt eine weitere Besonderheit der visuellen Wahrnehmung bei dem Größenunterschied vom Anreiten zum Foto eine Rolle: Subjektiv unwichtige Elemente werden nicht fixiert und so anders wahrgenommen. Beim Foto ist das wichtigste Element das Pferd, beim Anreiten das Hindernis selbst.

Wir interpretieren Größe in Abhängigkeit von der Umgebung. Alle drei Frauenpaare sind gleich groß. (© Anton, Wikipedia)

Wir interpretieren Größe in Abhängigkeit von der Umgebung. Aber alle drei Frauenpaare sind gleich groß. (© Anton, Wikipedia)

Wie abhängig unser Sehen von der Leistung unseres Gehirns ist, zeigen uns vor allem Bilder von optischen Täuschungen: Das Bild zeigt einen Säulengang und drei Frauenpaare. Das Paar im Vordergrund erscheint kleiner als das mittlere Paar. Das hintere Paar erscheint am größten. Aber in Wirklichkeit sind alle drei Paare gleich groß sind. Das Gehirn geht aber davon aus, dass uns Gegenstände am unteren Rand näher sind als die oberen. Es interpretiert also, die Personen im oberen Teil müssten größer sein.

Bei den unterschiedlichen Eindrücken von Anreiten und Foto spielen aber nicht nur die Besonderheiten unserer Wahrnehmung eine Rolle. Man weiß durch verschiedene Studien – auch aus dem Sport – dass Angst die Wahrnehmung verändert. Es ist also wahrscheinlich, dass auch beim Reiten ein Hindernis anders wahrgenommen wird, wenn Angst im Spiel ist.

Vielen reicht das Wissen über solche Zusammenhänge bereits, dass ihre Wahrnehmung sich verändert: Im besten Falle wirkt das Hindernis beim Anreiten nur noch respekt- nicht mehr angsteinflößend.