Neulich im virtuellen Reiterstüberl: Jemand will wissen, ob man bei einem lahmenden Pferd herausfinden kann, ob es tatsächlich Schmerzen hat oder nicht einfach nur unrund läuft, obwohl ihm nichts weh tut. Mir fällt sofort der Satz einer Tierärztin wieder ein, die ich vor einiger Zeit interviewt hatte. Er lautete …
… in etwa, dass sich die Menschen in nahezu allen Fällen täuschen, wenn sie meinen, eine Lahmheit beim Pferd sei nicht schmerzbedingt.

Gibt es eine Lahmheit ohne Schmerzen? (© C. Götz)
Grundsätzlich ist eine Lahmheit definiert als „Gangveränderung aufgrund einer schmerzbedingten, funktionellen oder strukturellen Störung des Bewegungsapparates“. Damit ist grundsätzlich die Grenze zu einer angeborenen oder antrainierten Schiefe oder Asymmetrie gesetzt, die tatsächlich in der Regel schmerzfrei ist, auch wenn man – etwa an der Longe – schon Gangveränderungen sieht.
Die Frage ist allerdings immer: Wie lange? Denn auch angeborene oder durch Training erworbene Schiefen und Asymmetrien können Schmerzen verursachen – dafür müssen sie einerseits nur gravierend genug sein oder andererseits lange genug anhalten, um die beteiligten und weitere Bereiche zu schädigen.
Ein Beispiel: Ein junges Pferd, das auf seiner schlechten Hand – also mit der verkürzten Seite außen – auf der Zirkellinie gehen soll, kann dadurch so aus dem Gleichgewicht gebracht werden, dass es lahm erscheint, ohne schmerzhaft lahm zu sein. Lässt man es dauerhaft so gehen – und verstärkt den Effekt noch durch viel Im-Kreis-gehen, wird das Pferd irgendwann seine schwächste Stelle, oder die mit der es am meisten kompensiert, überlasten – in diesem Fall beispielsweise ein Hufgelenk vorne. Es reagiert jetzt in der Regel auf Schmerzmittel.
Oft findet sich in diesem Zeitraum ein Zeitfenster in dem das Pferd (noch) nicht auf Schmerzmittel anspricht. Schmerzen kann es aber dennoch haben, weil die zu diesem Zeitpunkt bereits verspannte und/oder verkürzte Muskulatur zwar Schmerzen bereitet, aber nicht auf Schmerzmittel reagiert.
Bei uns Menschen gibt es ein vergleichbares Beispiel, das viele kennen: Man arbeitet jeden Tag am Rechner, aber erst nach einer Weile ist der Nacken so verspannt, dass man Kopfschmerzen bekommt oder die Muskeln selber weh tun. Noch ein paar Jahre später hat man neben regelmäßigen Kopf- und Nackenschmerzen auch Probleme im unteren Rücken, irgendwann wird ein Bandscheibenvorfall festgestellt.
Das ist der Grund, warum Ursachenforschung und korrekte Ausbildung so wichtig sind und natürlich, das Pferd im Blick zu haben wie sich seine Muskulatur und Bewegungsmuster entwickeln. Denn die Zeitspanne, in dem man den oben beschriebenen Prozess umkehren kann, ist begrenzt.