Als ich kürzlich einen Artikel über das menschliche Auge schrieb, fiel mir auf, dass ich eine der spannendsten Funktionen des Pferdeauges hier noch gar nicht beschrieben habe: den Restlichtverstärker. Damit sehen Pferde im Dunklen ausgesprochen gut, wesentlich besser als wir.
Das verdanken sie dem Tapetum lucidum. Die hinter der Netzhaut befindliche, fluoreszierende Schicht, reflektiert eintreffendes schwaches Licht und schickt sie quasi ein zweites Mal durch die Netzhaut. Zudem kann sich die Pupille beim Pferd bei Dunkelheit vergleichsweise weiter öffnen, als bei uns. Damit sehen sie sogar bei Dunkelheit, die uns stockfinster erscheint, immer noch recht gut. Man vermutet doppelt so gut wie wir.
Wer jemals in der Dämmerung oder nachts mit dem Pferd unterwegs war, der hatte wahrscheinlich, wie viele Reiter vor ihm, Gelegenheit zu bemerken, dass es dabei besser sieht als wir. Allerdings nur, wenn sich die Dunkelheit nicht schlagartig einstellt. Wenn das Licht in der Halle also plötzlich ausfällt. Dann braucht das Pferd etwa dreißig Minuten, um seine volle mögliche Sehkraft bei Dunkelheit zu erlangen. Bei uns dauert es noch länger – nämlich 45 bis 60 Minuten – bis die Anpassungsreaktion der Netzhaut an eine dunkle Umgebung komplett vollzogen ist.
Umgekehrt – also von dunkel auf hell – sind wir viel schneller; sogar schneller als ein Pferd, das etwa eine Minute braucht, bis es wieder gut sehen kann, wenn es plötzlich hell wird. Das ist der Grund warum Pferde wie verrückt blinzeln, wenn man nachts das Licht im Stall anmacht.
Warum ist das so? Licht an/Licht aus kommt in der Natur nämlich nicht vor. Der Dimmer in freier Wildbahn heißt Dämmerung.
Was bedeutet das jetzt für uns Reiter? Lassen Sie den Pferden einen Moment Zeit, wenn Sie im Stall das Licht einschalten und überfallen Sie sie nicht gleich. Wenn wir vom Hellen ins Dunkle müssen – etwa aus der hell erleuchteten Halle über den dunklen Hof – kann es sein, dass das Pferd unsicher ist. Ähnliche Unsicherheiten kann man auch auf Reitplätzen beobachten, auf denen die Beleuchtung einige Ecken dunkel lässt.
Man kann den Pferden mit ausreichender Beleuchtung helfen oder indem man ihnen als Reiter vermittelt, dass man im Moment besser sieht als sie, beziehungsweise, dass keine Gefahr droht. Wie das geht? Normalerweise reicht es, sich darauf zu konzentrieren, dass man selber genug sieht. Denn sogar der Weg aus einem dunklen Wald in den strahlenden Sonnenschein, und umgekehrt, kann manchmal für Irritationen beim Pferd sorgen. Solch eine Situationen kann auch beim Verladen entstehen. Kennen wir den Grund, sind wir entspannt und können auch dem Pferd dadurch Sicherheit geben. Und umgekehrt solle man sich bei völliger Dunkelheit entspannt dem Pferd anvertrauen, ohne es Unsicherheit oder Angst spüren zu lassen.