Fight or flight! Der schöne englische Spruch aus der Verhaltensforschung bedeutet: Kampf oder Flucht. Gibt es tatsächlich nichts dazwischen? Wann ist Kampf für das Fluchttier Pferd eine Option? Und erkennen wir Kampf beim Pferd immer sofort?
Was wir Pferdemenschen mit als erstes lernen müssen ist, dass eine ständige Fluchtbereitschaft für ein Pferd normal ist. Doch auch die Fähigkeit zu kämpfen ist in Pferden angelegt. Die Verhaltensforschung zählt bei Pferden fünf grundlegende Überlebens-Strategien:
- Wachsamkeit
- Die Sicherheit der Herde
- Das Leittier-Prinzip
- Freie Fluchtwege
- Raubtiere von hinten meiden
Wann immer wir mit Pferden umgehen und eines oder mehrere dieser fünf Grundprinzipien missachten, bekommen wir Probleme. Deswegen ist es vor allem wichtig, dass wir uns unserer Körpersprache und unserer Energie bewusst sind – am Boden und im Sattel. Denn in beiden Situationen kann das Pferd auch auf Fehlverhalten auf unserer Seite mit Flucht oder Kampf reagieren.
Flucht kann ein Eilen an der Longe ebenso sein wie ein stetes Davonrennen unter dem Sattel. Ein Pferd kann seine Bereitschaft zum Kämpfen mit vielen Signalen ankündigen: dem Aufstampfen der Hufe, mit Drohgebärden, wie angelegten Ohren oder dem Blecken der Zähne, oder mit einem energischen Kopfnicken. Schon das Verkrampfen des Mauls kann ein Schritt in diese Richtung sein.
Doch neben Kampf oder Flucht haben auch Pferde – wie viele andere Tiere und auch wir Menschen – noch eine andere Reaktionsmöglichkeit bei extremem Stress oder Gefahr: Ein Erstarren, das vom Einfrieren (wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange) über ein Abschalten (das die Psychologie Dissoziation nennt), bis hin zur tatsächlichen Ohnmacht reicht. Für die Reaktion des Erstarrens wird auch der Begriff Freeze verwendet.
Eine Möglichkeit für das Pferd, Stress abzubauen, ohne sich für Flucht oder Kampf entscheiden zu müssen, sind Übersprungshandlungen: Sie fangen an mit etwas herumzuspielen – an der Anbindestange etwa mit dem Strick. Sie scharren mit den Hufen oder spielen mit ihrer Zunge.
Situationen unter dem Reiter und am Boden, die all diese Reaktionsmöglichkeiten beschreiben, gibt es im nächsten Beitrag.