Ich hatte mich gewundert, warum im Sommer plötzlich einige Artikel* über die Gefahren von Fußlongen zu lesen waren. Ah, ein neuer Zug, dachte ich mir, bei dem ich mir aber nicht erklären konnte, woher er kam. Jetzt weiß ich, warum ich damals ein Fragezeichen hatte. Auslöser war wohl der Tod eines Pferdes bei einem Kurs mit Zirkuslektionen …
Erst vor kurzem kam heraus, was bereits im Frühjahr passiert war. Und obwohl ein Video veröffentlicht wurde, das zeigt, wie es zum Tod des Pferdes beim Rückwärts-Überschlagen** kam (wobei der tödliche Überschlag der Stute nicht gezeigt wurde), habe ich eine ganze Menge Fragezeichen. Und da bin ich sicher nicht die einzige.
Zuerst einmal: Es tut mir sehr leid, was passiert ist – für das Pferd, die Besitzer, alle beteiligten und involvierten Anwesenden, die gefilmt, den Strick gehalten oder zugesehen haben. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich die meisten hinterher gefragt haben, warum sie nicht eingegriffen oder anders gehandelt haben. Und ich hoffe sehr, das gilt auch für den Trainer.
Das Video ist inzwischen entfernt. Das macht Youtube unter anderem, wenn Verstöße gegen das Persönlichkeits- oder gegen das Urheberrecht gemeldet werden. Ich habe es mir angesehen als es noch lief und was mich daran am meisten schockiert, erstaunt und stutzig macht, sind folgende Dinge:
- Als die 20 Jahre alte Reitponystute sich zum ersten Mal überschlägt, macht der Trainer sofort weiter. Zwar wird dann doch noch kurz geschaut, ob das Tier schon lahmt (der Hinweis dazu kommt aus den Reihen der Zuschauer), aber auf mich macht das den Eindruck, als ob ein Überschlagen völlig normal sei, bei dieser Art von „Training“. Das Pferd lahmt nach dem zweiten Überschlag dann deutlich. Dennoch wurde hier wieder nicht abgebrochen.
- Es ist für mich leicht zu erkennen, dass die Stute von Anfang an zeigt, dass sie das Geforderte nicht leisten kann – nicht, dass sie es nicht leisten will. Sie gibt das sehr deutlich zu verstehen, viele Male, bereits vor dem ersten Überschlag. Einem Trainer sollte dies ebenso klar sein. Oder er sollte zumindest wissen – falls er das Tier in diesem Moment tatsächlich nicht lesen kann – dass (nicht nur) ein 20 Jahre altes Pferd durchaus die eine oder andere Baustelle oder Steifigkeit haben kann. Das Kompliment ist aber eine Lektion, die dem Pferd viel in Sachen Dehnbarkeit von Muskeln und Sehnen und Beweglichkeit im Bereich Brust, Schulter und Rücken abfordert.
Fakt ist für mich: Hier ist ein Pferd zu Tode gekommen, weil Menschen falsche oder keine Entscheidungen getroffen haben. Natürlich ist das für alle Betroffenen eine furchtbare Situation. Alles was an Streit dazu bereits stattfand und noch stattfinden wird, dreht sich aber nicht mehr um das Wohl eines Tieres, sondern um Ego, Schuldgefühle und eigene Verletzungen.
Was wir alle daraus lernen können, ist die eigene Wahrnehmung und die eigenen Gefühle zu schulen, auch im Hinblick auf die Verwendung bestimmter Hilfsmittel. Mein Praxis-Tipp zu diesem Thema ist: Niemals einen Kurs oder eine Stunde bei jemandem zu buchen, den man nicht mindestens einmal, unter genau diesem Aspekt, in Ruhe bei der Arbeit beobachtet hat.
Bleibt die Frage: Warum soll ein Pferd überhaupt Kompliment machen? Was das Verbeugen bringen kann, ob das wirklich sinnvoll ist und ob der Weg ohne Beinlonge so viel besser ist – darüber mehr in den nächsten Beiträgen.
* z.B. hier
** einen Artikel zum Geschehen veröffentlichte der General-Anzeiger online.