Superlustig und typisch für die Reiterwelt: Da verwenden allen Ernstes erwachsene Leute ihre Energie auf Diskussionen ob der emotionalen Zustände von Wallachen bei der Arbeit. Nicht lustig? Stimmt. War auch noch nicht fertig: … abzulesen am ausgefahrenen Schlauch.
Das Thema geistert durchs Netz seit es Foren gibt. Interessant ist, dass die Beschreibungen von denjenigen, die das Ausschachten bei ihrem Pferd erleben sich erstaunlich gleichen: Ausgelöst wird es häufig, wenn das Pferd sehr motiviert ist oder wurde – meist durch Lob und Leckerchen. Weiteres Kennzeichen: Es tritt bei Arbeit auf, die relativ statisch ist, und keine Bewegungen vom Pferd erfordert, bei denen der Schlauch in Schwingung käme. Das können Zirkuslektionen ebenso sein wie Bodenarbeit oder die Arbeit an der Hand und sogar Piaffe, Schaukel oder Levade. Aber auch beim intensiven Üben von Hufegeben kann es auftreten.
Diejenigen, die es selbst noch nicht erlebt haben, stellen gerne Mal Vermutungen darüber an, dass es schlecht um das innere Gleichgewicht dieser Tiere bestellt sein müsse und man davon ausgehen könne, das sie Angst hätten, unter Spannung stünden oder sich vor der Arbeit drückten. Zum Teil ohne auch nur irgendein Pferd – geschweige diejenigen, deren Besitzer darüber berichten –, bei der Arbeit erlebt zu haben.
Physiologisch gesehen ist es nicht naheliegend von Stress auszugehen, denn Ausschachten und Erektion werden vom Parasympathikus gesteuert, dem Teil des nicht willentlich gesteuerten Nervensystems, der auch als Ruhenerv bezeichnet wird und beispielsweise auch für eine Verlangsamung des Pulses zuständig ist. Beim Menschen steht eine Aktivität des Parasympathikus auch für Neugier und Kreativität sowie für Konzentration.*
Fakt ist: Es gibt Wallache, die schachten nicht nur zum Urinieren aus. Manche tun es beim Dösen in der Sonne andere bei der Arbeit. Interessant ist, dass Hengste dies in der beschriebenen Form nicht zeigen. Bei ihnen ist immer eine klar erkennbare sexuelle Komponente dabei, beim Wallach in den seltensten Fällen.
Warum schreibe ich hierüber? Das habe ich mich selbst schon 300 Wörter lang gefragt. Für mich ist diese Geschichte typisch für viele Diskussionen rund ums Pferd, bei denen ich die innere Offenheit gegenüber dem Tier als Individuum, und den Situationen in die man mit ihm gerät, vermisse. Und wenn sie da schon nicht vorhanden ist, wie sieht das erst am Pferd aus?
* Der Teil des Parasympathikus, der der Sexualität zugerechnet wird, durchläuft beim Menschen mit der Pubertät eine Art Funktionswandel. So passiert es Jungen in dieser Phase häufig, dass ihr Penis auch in Situationen steif wird, die gar nicht erotisch sind. Möglicherweise gibt es hier auch einen Zusammenhang beim Pferd. Ich würde mich jedenfalls sehr freuen, wenn Sie mir schreiben – falls sie wissen, ob Ihr „zeigefreudiger“ Wallach spät oder früh gelegt wurde.