Eingefroren oder ausgeschaltet?

Im Verhaltensrepertoire unserer Pferde gibt es einiges, was leicht übersehen, übergangen oder fehlinterpretiert werden kann: Neben dem bekannten Freeze-Zustand ist ein weiteres Verhalten inzwischen vermehrt in der Diskussion, das noch wenig wissenschaftlich untersucht ist – das komplette Abschalten des Pferdes …

… gerne im raueren Reiterjargon auch genannt: „Der sture Bock!“

Typische Situationen in denen viele Pferde vermeintlich stur sind, in Wirklichkeit aber dissoziieren, sehen beim Reiten oder Verladen so aus: Das Pferd bleibt einfach stehen, es kann sein, dass ein Hinterbein leicht auf die Hufspitze gekippt ist (= bereit zur Flucht), manchmal sieht das Pferd müde aus, die Augen wirken kleiner. Es reagiert nicht auf treibende Hilfen, Gerte oder Sporen. Es atmet flach, hält quasi die Luft an.

Üblicherweise tritt dieser Shutdown-Zustand in Situationen auf, die das Pferd schon häufiger erlebt, und somit erlernt hat. Es kann aber auch im Verlauf einer einzigen Reit- oder Trainingseinheit dazu kommen.

Eingefroren oder ausgeschaltet? Eine starke Mimik deutet eher auf einen Freeze-Zustand hin. (© C. Götz)

Beim Shutdown (= abgeschaltet) zeigt das Pferd zeigt keine normalen Stresssymptome, weil es sich in einem dissoziativen Zustand befindet. Es hat sich quasi mental von seinem Körper abgekoppelt. Im Freeze (= eingefroren) befindet sich das Pferd im Entscheidungsprozess zwischen Flucht und Kampf. Ein Freeze-Zustand ist von einem erhöhten Herzschlag gekennzeichnet.

In einem Shutdown-Zustand hat das Pferd sich von sich selbst abgekoppelt – Lernen ist nicht mehr möglich. Das Pferd vermeidet den Kontakt, auch Blickkontakt. Es kann durch unerwartete, überschießende Reaktionen den Shutdown beenden oder lässt sich – scheinbar ungerührt – aus diesem führen, sobald die Intention (Verladen, Weiterreiten) und damit der Druck beendet wird.

Es wird inzwischen angenommen, dass die Prozesse bei Dissoziation – wie man sie beim Menschen kennt – auch bei Tieren recht ähnlich sind. Ähnlich wie beim Menschen kann Dissoziation nicht nur bei einem akuten Trauma, etwa einem Unfall, sondern auch bei fortgesetztem Stress (Misshandlung, Missbrauch) eintreten. Die grundsätzlich in Gefahrensituationen sinnvolle Reaktion des Organismus steht uns im Weg, wenn wir sie nicht als solche erkennen und nicht wissen, wie wir sie vermeiden oder auflösen können.

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