Wenn 80 Prozent aller Reiter die Art und Weise bemängeln, wie junge Pferde ausgebildet werden, wo liegt dann der Fehler? Eine alte Debatte, mit neuen Zahlen frisch entfacht. Sie stammen aus einer Befragung des HorseFuturePanels*, deren Ergebnisse eben veröffentlicht wurden.
Wovon man persönlich enttäuscht ist, wurde gefragt. Dafür konnte man unter anderem unter vorgegebenen Antworten auswählen. Von den „Faktoren, die zur persönlichen Enttäuschung mit der deutschen Pferdebranche und des Pferdesports beitragen“ wurde – quer durch alle Lager und Reitsport-Disziplinen – mit großem Abstand als erstes der Punkt „zu wenig Rücksicht auf die altersgemäße Entwicklung der Pferde“ gewählt.
Rund 80 Prozent der befragten Dressur-, Spring-, Gangpferde- und Westernreiter, sowie der Fahrer und der Reiter aus dem klassisch-barocken Lager bemängeln dies. Was bedeutet das? Es heißt sicher nicht, dass bei 80 Prozent der Pferde zu wenig Rücksicht auf die altersgemäße Entwicklung genommen wird.
Zuerst einmal heißt es, dass unter den anderen Antwortmöglichkeiten keine ein größerer Aufreger ist. Dabei wären einige meiner Ansicht nach durchaus dazu geeignet. Etwa der Punkt „zu wenig Beachtung der Gesundheitsmerkmale“, der es 2015 überall auf Platz drei brachte, mit durchschnittlich etwa 50 Prozent. Oder der Punkt „schlechte Aufzucht und Haltungsbedingungen“, der es nur bei den Gangpferdereitern in der Umfrage des Jahres 2014 unter die ersten drei Antworten geschafft hatte – hier aber mit immerhin 54 Prozent.
Zudem ist es interessant, dass das negative Vorzeichen dieser Antwortmöglichkeit lediglich durch ihren (aktuellen) Kontext festgelegt ist. Liest jemand in 50 oder 100 Jahren die Umfrageergebnisse, könnte er verwirrt sein, weil „zu wenig Rücksicht auf die altersgemäße Entwicklung“ dann bedeuten könnte, dass die Pferde nicht früh genug an die körperliche Belastung durch das Reiten herangeführt werden und sich das muskuloskelettale System nicht rechtzeitig daran gewöhnen kann. Eine Beobachtung, die man durchaus auch heute schon machen kann.
Jeder Reiter hat auf die korrekte altersgemäße Entwicklung vollen Einfluss. Niemand muss ein Pferd kaufen, auf dessen altersgemäße Entwicklung keine Rücksicht genommen wurde. Niemand muss sein Pferd Belastungen aussetzen, die der altersgemäßen Entwicklung nicht entsprechen.
So einfach ist das. Darf ich mich über andere aufregen, die das meiner Ansicht nach verkehrt machen? Kann man. Es nützt nur nichts. Es hilft einzig, mit gutem Beispiel voranzugehen. Und ein gutes Beispiel ist es nur, wenn auch sonst alles passt. Wenn die Ausbildung nicht nur altersgerecht ist, sondern auch generell Körper und Psyche des Pferdes biomechanisch korrekt und pferdegerecht behandelt.
* Die Broschüre „Pferdesportler 2017“ sowie zwei weitere Studien können Sie hier kostenlos anfordern.