Viele Reiter fragen sich, was es eigentlich bedeutet, wenn das Pferd ein bestimmtes Verhalten zeigt. Gähnen ist so ein Klassiker. Wie bei vielen anderen Dingen auch kann es positiv oder negativ interpretiert werden und kann Symptom für Magengeschwüre, Leberprobleme oder Borna ebenso sein wie für Entspannung. Es kommt ganz auf den Zusammenhang an.
Grundsätzlich ist Gähnen allen Säugetieren eigen. Es gibt viele Untersuchungen an verschiedenen Tierarten, geforscht wurde aber am meisten am Menschen. Mit dem Ergebnis, dass man auch bei uns immer noch nicht exakt weiß, warum und wie wir gähnen.
Dennoch hat man einiges übers Gähnen herausgefunden – auch beim Pferd: Es öffnet den Unterkiefer, dehnt eine Vielzahl von Gesichtsmuskeln und kneift wie wir Menschen dabei die Augen oder auch nicht. Meist wird öfter hintereinander gegähnt und es ist ansteckend. Dies dient bei allen Spezies unter anderem der Übertragung von Stimmungen und damit dem Zusammenhalt der Gruppe. Und auch beim Pferd ist Gähnen keine schnelle und kurze Antwort auf einen einfachen Reiz und von daher kein Reflex im eigentlichen Sinn. Soweit die Ähnlichkeiten.
Es gibt aber auch Unterschiede: Pferde gähnen häufig „mit Zunge“. Besonders, wenn sie einige Male hintereinander gähnen dehnen, drehen oder strecken sie irgendwann die Zunge aus dem Maul heraus. Oft wird dabei auch der Kopf noch etwas gedreht. Dies lässt sich häufiger beobachten, wenn Pferde nach einem Schläfchen wieder beginnen aktiv zu werden. Und auch beim Behandeln erlebe ich dieses Mobilisieren häufig.
Um festzustellen, ob ein Pferd nun durch Gähnen Stress abbaut, wach wird oder anzeigt, dass es müde oder krank ist, erfahren Sie nur, wenn Sie den jeweiligen Kontext beachten. Gähnt ein Pferd immer, wenn sein Weidekumpel vom Reiten zurückkommt und schiebt dabei den Unterkiefer hin und her, deutet viel auf Loslassen der inneren Spannung hin. Tritt das Gähnen auf, nachdem man einen langen, entspannten Ausritt hinter sich gebracht hat und begibt sich das Pferd nach dem Wälzen in die Sonne zum Dösen, wobei es ein- zweimal gähnt ist wohl eher kein Stress zu vermuten. Anders, wenn das Pferd beim Fressen gähnt.
Wichtig ist nicht nur, in welcher Situation das Gähnen erfolgt, sondern auch wie oft und auf welche Art. Bei Affen zeigten Versuche, dass ein Gähnen aus emotionaler Spannung oder zum Stressabbau mit offenen Augen erfolgt. Auch diesen Aspekt kann man bei Pferden in die Beobachtung mit einbeziehen. Sind Sie sich nicht sicher, legen Sie eine Art Tagebuch an und fragen Sie eventuell auch den Stallbesitzer oder Miteinsteller, ob und wann sie das Pferd gähnen sehen.