„Dein Gehirn steuert alles!“ Diesen Satz hat uns Carina auf unserem Individual-Kurs sehr geduldig immer wieder – für die Problemstellungen der einzelnen Teilnehmerinnen passend – erklärt: egal ob wir wegen Seh- oder Gleichgewichtsproblemen, Kopfschmerzen oder mangelnder Körperwahrnehmung angetreten waren. Und weil nicht nur die Übungen, sondern auch die Hintergründe so spannend waren …
… musste ich sie unbedingt noch dazu interviewen.

Die meisten Reiter und Reiterinnen haben unter den Folgen mindestens einer Gehirnerschütterung zu leiden. (© C. Götz)
Carina, Thema des Tages waren bei unserem Kurs nicht erkannte, nicht vollständig ausgeheilte Gehirnerschütterungen. Du sagtest, dass du die bei fast jedem Reiter und jeder Reiterin siehst, die zu dir kommen. Warum ist das so?
Carina Patzer: Dass wir Reiter öfter mal eine Gehirnerschütterung abbekommen, liegt zum einen einfach in der Natur des Sports. Ob ein Sturz, ein Pferdekopf mit Wucht gegen den eigenen, ein Schleudertrauma oder eine Steißbeinprellung durch den Ausrutscher auf dem Mistbrett, usw. Die Auslöser für eine leichte bis schwere Gehirnerschütterung sind im Reitsport einfach präsenter als in vielen anderen Sportarten. Außerdem – ich bin selber Reiterin und unter uns –, solange unser Pferd okay ist, gehen wir nicht zum Arzt. Höchstens es hängt was weg oder jemand anderes hat uns schon dorthin gebracht, weil wir eh bewusstlos waren. Und gerade dann hat der Arzt meist andere Prioritäten als eine Gehirnerschütterung zu diagnostizieren. Also steigen wir, wenn irgendwie möglich, am nächsten Tag wieder in den Sattel und machen weiter, als wäre nichts gewesen. Das Pferd möchte schließlich bewegt und die Stallarbeit erledigt werden. Aber die Mikroverletzungen, die bei jeder Gehirnerschütterung in unserem Denkorgan passieren, können so einfach schlechter bzw. nur unvollständig abheilen.
Das Neuro-Training nach Gehirnerschütterungen war einer deiner Ausbildungs-Schwerpunkte. Was müssen wir dazu wissen, wenn wir vermuten, dass auch wir eine hatten?
Carina Patzer: Ist es gerade frisch passiert, ist der Arzt der richtige Ansprechpartner. Liegt ein Unfall, bei dem wir davon ausgehen können, dass unser Gehirn mehr oder weniger „durchgeschüttelt“ wurde, schon länger zurück, ist es wichtig zu wissen, dass die Auswirkungen oft nicht sofort auftreten. Sie schleichen sich sozusagen ein und die wenigsten Menschen, die an meinen Kursen teilnehmen oder ins Coaching kommen, bringen ihre Symptome überhaupt noch in Verbindung mit einem, manchmal jahrzehntelang, zurückliegenden Vorfall. Doch es gibt verschiedene Auffälligkeiten, die, wenn sie über einen längeren Zeitraum immer wieder auftreten, anzeigen können, dass die Mikroverletzungen unseres Unfalls nicht gut verheilt sind. In der Neuro-Welt sprechen wir dann von einem sogenannten PCS (Post Concussion Syndrome, also Nach-Gehirnerschütterungs-Syndrom). Einfach gesagt, mögliche Langzeitfolgen einer nicht (vollständig) auskurierten Gehirnerschütterung.
Welche wären das?
Carina Patzer: Von einem PCS spricht man, wenn man die letzten drei Monate (oder länger) drei oder mehr von den folgenden Symptomen erlebt hast. Hier ein paar Beispiele. Zähl’ gerne für dich mit:
- Konzentrationsdefizite
- Übelkeit
- Ablenkbarkeit
- Gedächtnisprobleme
- schnelle Ermüdung (durch Denkarbeit, etc.)
- Kopfschmerzen/Migräne
- Schwindel
- Lichtempfindlichkeit
- Überempfindlichkeit gegen Sinnesreize (zu laut, zu viele Menschen, etc.)
- Stimmungsschwankungen
- depressive Verstimmungen
- Angstzustände, etc.
- Schlaflosigkeit
- Müdigkeit/Erschöpfung
- Einschlafprobleme
Was man dagegen tun kann erklärt Carina im nächsten Beitrag …