Paradoxe Effekte

Viele kennen das: Man wird gelobt – beim Sport oder für eine Rechenaufgabe – und danach funktioniert erst einmal gar nichts mehr oder alles deutlich schlechter. Auch bei Pferden gibt es ähnliche Beobachtungen und, wie Studien am Menschen zeigen, vermutlich ebenfalls kuriose, paradoxe Effekte des Lobens.

Im Falle meines aktuellen Nachwuchspferdes hatte ich das erste Mal die Beobachtung gemacht, dass ein Lob vielfach in den nächsten Sekunden zu einem Verhalten führte, das man dem Pferd eigentlich abgewöhnen wollte. Nichts Schlimmes, nur kleine Rückfälle in Sachen Halfterführigkeit oder dem Beachten meiner Individualdistanz.

Meine Strategie war: So weit als möglich ignorieren, ansonsten kommentar- und emotionslos korrigieren und die Korrektur nicht loben, sondern weiter nur die verlangten guten Sachen belohnen. Außerdem: Versuchen ein Fehlverhalten nach dem Lob nicht zu provozieren (nicht ganz so einfach, das Stütchen ist kreativ). Aber es wurde tatsächlich Schritt für Schritt besser.

Das Wort paradox beschreibt eine Aussage oder Situation, die sich selbst zu widersprechen scheint aber dennoch wahr sein kann. Ein Paradoxon aus dem Bereich der Medizin wäre: ein Aufputschmittel macht müde, ein Sedativum regt an. (© C. Götz)

Selbstverständlich habe ich auch überlegt, woher das kommen könnte, Ideen gab es. Letztlich musste ich mir eingestehen, ich bin ähnlich veranlagt. Nach einem Lob tue ich mich erst einmal schwer, die Leistung aufrechtzuerhalten. Warum? Ich gerate wohl unter (Erfolgs-)Druck. Spannend fand ich aber Berichte von anderen Pferdemenschen über kuriose Reaktionen auf Lob, die denen meiner Stute ähnelten. Deshalb ging ich auf die Suche, was dazu schon geforscht wurde (am Menschen).

Die für mich spannendste Geschichte fand ich in einem Handout mit dem Titel Paradoxe Effekte von Lob und Tadel, erstellt für ein Hauptseminar an der Professur für Psychologie des Lehren und Lernens (Uni Dresden): „Der überwiegende Teil ging davon aus, dass der Lehrer den Gelobten wohl für weniger fähig hielt. Hingegen wurde ein Schüler, der nach Misserfolg bei einer schweren Aufgabe getadelt wurde für besonders fähig gehalten.“ Das war das Ergebnis einer Untersuchung, bei der Beobachter die Fähigkeiten von Schülern einschätzen mussten.

Wie dieser und andere paradoxe Effekte entstehen weiß man übrigens nicht. Es gibt nur Vermutungen. Und ich vermute jetzt mal, dass es bei Pferden ebenfalls unterschiedliche paradoxe Effekte auf Lob und Tadel gibt. Ob sie unbewusst anerzogen wurden? Ich weiß, dass das möglich ist, schließe aber eine Beteiligung von Temperament, Intelligenz und Charakter des Pferdes nicht aus.

Mehr zum Thema Loben auf meinem Blog zum Beispiel hier.