Große Dinge – aka Olympia – werfen ihre Schatten voraus und modernes Marketing, zuletzt als #doitride-Aktion, trägt aktuell dazu bei, dass alle noch mehr auf Spannung sind, als ohnehin in der Reiterwelt üblich. Also dreht sich dieser Blogbeitrag um ein keineswegs neues Phänomen: die von allen Reiterfreunden perhorrescierten Fehlerkieker.
Der Begriff perhorreszieren, wie es heute geschrieben, wenn auch nicht mehr genutzt wird, steht auf Seite 69 des Buches „Reitkunst auf dem Scheideweg“. Darin befasst sich Reitsportjournalist und Hippologe Erich Glahn mit den Olympischen Reiterspielen von 1956. Glahn bewertet alle Reiterinnen und Pferde, ihr Gerittensein und ihre Voraussetzungen. Ich mag seinen respektvollen Stil und ich erkenne – auch anhand der kommentierten Fotografien im hinteren Teil des Buches – sein Fachwissen.
Hier mal ein paar Beispiele, wie die Formulierungen damals lauteten:
- Der trefflich sitzende, elegante, aber etwas passive Reiter …
- … dessen Schwung durch die zu hohe Führung des gut sitzenden Reiters erstickt wurde.
- Aber die Versammlung reichte noch nicht aus. Jedoch war jedenfalls dem Pferd keine Gewalt angetan …
- Vorübergehend konnte man sogar feststellen, daß der Hinterfuß am Boden klebte. Trotzdem war diese ganze Vorführung überragend …
Alle Zitate sind aus dem Dressur-Grand-Prix, das letzte gilt der Silbermedaillengewinnern Lis Hartel mit Jubilee. Zu den deutschen Reiterinnen Hannelore Weygand (9.), Anneliese Küppers (14.) und der Bronzemedaillengewinnerin Liselott Linsenhoff heißt es: „Die formale Abwicklung des Programms war in höchstem Maße formvollendet.“ Es konnte laut Glahn „nur der unter allen Pferdefreunden perhorrescierte ,Fehlerkieker‘ auf seine Rechnung kommen“.
Um Ihnen das Googeln zu ersparen: mit Abscheu zurückgewiesen!
In der Folge spart auch Glahn nicht mit Kritik an den Leistungen des deutschen Teams, das damals Silber holte. Könnte man ihn heute fragen, ich bin sicher, er würde sagen, dass es bei den von ihm erwähnten von allen Pferdefreunden mit Abscheu zurückgewiesenen Fehlersuchern vor allem darum geht, das Gesehene dem eigenen Weltbild anzupassen, während ein echter Kritiker das macht, was das Wort etymologisch bedeutet: unterscheiden, trennen – das Gute vom Schlechten, das Geglückte vom unterlaufenen Fehler und das alles in Berücksichtigung der Anatomie, Vorgeschichte und Begleitumstände …
Ich persönlich habe viel von ihm gelernt.