Stallgeschichten: Mit Biss

Als ich in einem Forum kürzlich einen Thread über zwickende, schnappende, beißende Pferde las, fiel mir eine Geschichte wieder ein, die fast drei Jahre zurückliegt. Das Jungpferd und ich hatten uns eben erst kennengelernt und waren gerade dabei, nach vorbereitenden Führübungen am Stall, auf Spaziergängen …

… die nähere Umgebung zu erkunden. Zumeist in Begleitung meiner erfahrenen Stute, die von einer Freundin geritten wurde. Dabei gab es ein Erlebnis, das mir viel beigebracht hat. Denn ich hatte vorher noch kein schnappendes Pferd*.

Wir waren bereits auf dem Nachhauseweg und ich entschied mich, einen Wiesenweg zu nehmen, der parallel zum geschotterten Feldweg verläuft, da ich einen Traktor hörte, von dem ich vermutete, dass er in den Feldweg einbiegen würde. Das war jedoch nicht der Fall. Wir gingen noch auf dem Wiesenweg, als mich die junge Stute plötzlich in die Jacke zwickte. Maßregelnd, für mich völlig aus dem Off! Ich schnalzte ihr reflexartig den Führstrick vor die Brust.

Aus solchen Situationen kann leicht ein Schnappen entstehen. (© C. Götz)

Klar, Anspannung ob einer fordernden Situation kann sich entladen, doch das war nicht das Problem. Als ich kurz überlegte, was ich direkt vor dem Schnappen gemacht hatte, musste ich mir eingestehen, dass ich – obwohl der Traktor nicht unseren Weg genommen hatte –, in Gedanken immer noch bei der Situation war und mich fragte, wie sie sich wohl entwickelt hätte, wenn er es getan hätte. Ich hatte mir das Zwicken also „verdient“: Ich war nicht im Moment, nicht präsent, sondern im Gegenteil in sorgenvolle Gedanken verstrickt und somit kein Schutz für das unsichere Jungtier. Sie hatte mich definitiv in die Wirklichkeit zurückgeholt.

Mein Aussetzer in Sachen Führungsqualität tat mir mehr leid als der Rüffel, den ich dem Pferd fürs Schnappen erteilt hatte. Denn wie sagte meine Freundin anschließend so schön: „Sie darf sich ja melden, wenn sie was braucht, aber sie darf auch lernen, wie das subtiler geht.“

Die gute Nachricht: Hat sie! Aber nicht nur sie hat dazugelernt! Ich bin mehr bei ihr und erkenne so frühzeitig, wenn sie etwas braucht, und ich glaube, sie hat verstanden, dass ich hinten – im Gegensatz zu ihr – keine Augen habe. Auf alle Fälle hat sie ihre Zähne nicht mehr bei mir zum Einsatz gebracht.

Pferde können nicht sprechen, dennoch können sie mit ihrem Körper – und dazu gehören ihr Maul und ihre Zähne ganz eindeutig – sehr viel ausdrücken: ihren Artgenossen und auch uns gegenüber. Je besser wir lernen, ihre kleinen, feinen Signale zu lesen, umso besser funktioniert unser Miteinander. Mehr darüber im nächsten Beitrag.

Mehr Stallgeschichten auf meinem Blog …

* Ein einziges Mal, hat mein erstes Pferd in meine Richtung geschnappt. Doch das ist eine völlig andere Geschichte, und die erzähle ich ein andermal.