Zugetextet und gendersensibel

Pferde reagieren durchaus individuell auf den Einsatz der Stimme und verknüpfen auch positive und negative Erlebnisse mit bestimmten Stimmen, wie ich bereits anhand der Forschungsergebnisse im ersten Teil dieser Artikel-Serie berichtete. Ein paar Geschichten sollen das verdeutlichen …

Mein aktuell jüngstes Pferd lässt sich sehr gerne beschallen. Tatsächlich hilft es ihr massiv, wenn ich sie bei Unsicherheiten von oben zutexte. Das war anfangs auch vom Boden aus nötig – da braucht sie es inzwischen nur noch, wenn wir an monstermäßig gefährlichen Raptoren (aka Harvester) vorbeimüssen. Solange ich das Gefühl habe, ich helfe ihr mit meiner Stimme – es lassen sich übrigens gut auch beunruhigende Geräusche durch stimmliche Dauerbeschallung überlagern – ist es mir wirklich egal. Was hilft hat seine Berechtigung. Wichtig ist mir dabei, darauf zu achten, sie nicht versehentlich für nicht erwünschtes Verhalten zu loben. Ich wusste übrigens, dass ich einen echten Durchbruch in unserer Kommunikation und unserem Vertrauensverhältnis hatte, als ich sie das erste Mal verbal vom Sattel aus „anranzen“ konnte. Und das Gefühl war goldrichtig, dass das jetzt geht: Das Ergebnis – sie unterlies den Unsinn, den sie gerade vorhatte – sprach für sich.

Hat man einmal erlebt, wie effektiv Stimmhilfen sind, wird man sie auch vom Sattel aus eher einsetzen. (© C. Götz)

Als erstes eigenes Pferd kaufte ich einen Dreieinhalbjährigen. Dass er ein massives Problem mit schrillen Frauenstimmen hatte, stellte sich für mich erst etwa zwei Jahre später heraus, als ich endlich einen Hänger hatte und Verladen üben konnte. Auf der Anlage, auf der wir damals standen, konnte man gut im Hof unterhalb des Wohnhauses das Gespann parken. Was mir nicht klar war: Stimmen vom Balkon hörte man dort extrem gut. Waren diese auch noch laut, wurde es geradezu skurril. Und wenn man als Pferd zudem nicht einschätzen kann, was genau Phase ist, weil man schon halb im Hänger steht, ist das natürlich noch herausfordernder. Der Arme katapultierte sich mit dem ersten Ton der ihre Kinder maßregelnden Stallbesitzerin rückwärts aus dem Hänger. Noch dümmer benahm sich nur der Reitlehrer, der sich von hinten im Falsett lautstark lamentierend näherte. Das Problem: Mein Fahrtrainer und ich spannten gerade an. Die Scheuklappen verhinderten, dass mein Wallach den Verursacher des Lärms als Mann erkannte – mit denen hatte er noch nie ein Problem. Dass er nicht halb eingespannt mit der Kutsche durchging, dafür bin ich dem Fahrlehrer der vorne am Kopf war heute noch dankbar.

Bei einer Geländeprüfung für Nachwuchspferde beobachtete ich, wie ein Reiter seinem ganz offensichtlich bezüglich Wassereinsprüngen noch grünen Pferd half, indem er seinen Namen mehrfach hintereinander rief. Ich fand das sehr geschickt gelöst, denn so konnte er dem Pferd für den Wassereinsprung den Kopf total frei lassen, sich selber für den leichten Tiefsprung schon nach hinten orientieren, um den Schwungverlust aufzufangen, und gleichzeitig seine treibenden Hilfen unterstützen, ohne sich oder das Pferd aus der Balance oder dem Fluss zu bringen. Durch das Rufen des Pferdenamens – durchaus vehement und laut – erzeugte er genug treibende Energie und das Pferd machte trotz seines innerlichen Zögerns einen wirklich guten Sprung. Für mich nach wie vor ein super Beispiel, wie effektiv eine Stimmhilfe auch in kritischen Situationen sein kann.