Trau, schau, wem!

Können diese Augen lügen? Selbst erfahrene Pferdeleute lassen sich immer wieder vom relativ ungewohnten Anblick von Pferdeaugen mit sehr viel Weiß verunsichern. Dieses Menschenauge, wie es genannt wird, wirkt eben ganz anders als Pferdeaugen sonst.

Kein Wunder also, dass selbst Tierärzte manchmal irritiert sind, wenn ein Appaloosa, Knabstrupper oder Tinker sie mit solchen Augen ansieht: Viele Reiter wurden noch mit der althergebrachten Mär groß, ein Pferd mit viel Weiß im Auge wäre leicht erregbar und schwierig im Umgang.

Bis auf wenige Ausnahmen ist die Iris eines Pferdes braun und auch braun umrandet. Von einem Menschenauge spricht man, bei einer weiß umrandeten Iris. Dies ist bei manchen Rassen bedeutend häufiger zu sehen, als bei anderen, vor allem in doppelter Ausführung. Augen mit viel Weiß können aber vom Pony übers Warm- bis zum Kaltblut vorkommen – häufig gekoppelt an viel Weiß am Kopf oder am Rest des Körpers. Dass diese Pferde nicht grundsätzlich schwieriger im Umgang sind hat sich inzwischen fast überall herumgesprochen. Wenn also Besitzer von Pferden mit einem Auge mit viel Weiß über das „Psychoauge“ sprechen ist das meist ironisch gemeint.

Panisch? Nein. Das Auge einer völlig entspannten Knabstrupperstute. Sie hat lediglich jemanden beobachtet, der schräg seitlich von ihr stand. (© C. Götz)

Panisch? Nein. Das Auge einer völlig entspannten Knabstrupperstute. Sie hat lediglich jemanden beobachtet, der schräg seitlich von ihr stand. (© C. Götz)

Fakt ist, dass man bei jedem Pferd irgendwann das Weiß des Augapfels sehen kann – nämlich dann, wenn es sehr aufgeregt oder panisch ist und versucht, nur mit Hilfe des Auges mehr zu sehen. Das kann bei Zwangsmaßnahmen mit der Nasenbremse ebenso passieren, wie in Stresssituationen unter dem Sattel. Je weniger Raum es hat, Kopf oder Körper dahin zu drehen, wo es hinblicken oder fokussieren möchte, umso mehr muss es das jeweilige Auge verdrehen.

Bei Pferden mit Menschenaugen ist aber das Weiß immer zu sehen, auch wenn sie noch nicht mit den Augen rollen. Hier muss also vermehrt der Rest der Körpersprache, vor allem Kopf und Schweifhaltung, in die Betrachtung einbezogen werden. Von „lügen“ kann also keine Rede sein, es handelt sich (wieder einmal) um Interpretationsschwierigkeiten auf Seiten der Zweibeiner.