Beurteilt von KI

Das hat mich jetzt schon interessiert – kann KI tatsächlich einen Ritt beurteilen. Als ich gelesen hatte, dass einige etwa ChatGPT bereits dafür nutzen, musste ich es natürlich unbedingt selber ausprobieren. Mein Test umfasste gleich mehrere Parameter – angefangen bei der Qualität des Videos …

Ich wählte eine 30 Sekunden lange Sequenz eines fast zwanzig Jahre alten Videos vom Abreiteplatz für eine A-Dressur aus. Der Schnipsel hatte nur gut neun MB und war inzwischen recht verpixelt. Umso größer war meine Überraschung, dass die KI doch alle Baustellen offenbarte und das in nur wenigen Sekunden.

Als Frage hatte ich formuliert: Bitte beurteile das angehängte Video nach FN-Kriterien.

Dann legte die KI los: „Nach Durchsicht des Videos bewerte ich die Reiteinheit gemäß den FN-Richtlinien. Es handelt sich offenbar um eine Dressur- oder Dressur-nahe Einheit im Schritt und Trab, mit Fokus auf Basisarbeit.“ Jap, das war das Abreiten (kurz nach dem Aufwärmen im Schritt) vor einer A-Dressur.

Die KI erkannte völlig korrekt (ich verwende hier ihre Formulierungen und in Klammer jeweils meine Einschätzung) …

  • … gelegentlich minimale Unregelmäßigkeiten, die auf Spannungen oder leichte Störungen in der Losgelassenheit hindeuten könnten im Trab. (Klar, wir waren noch zu Beginn der Lösungsphase.)
  • … dass das Pferd phasenweise vor allem im Genickbereich leicht angespannt wirkt. (Das hat mich besonders erstaunt, denn das Pferd hatte wenige Wochen zuvor einen Unfall gehabt, der zu Blockierungen geführt hatte, zu einem Zeitpunkt, als ich noch ein Jahr vom Start meiner therapeutischen Ausbildung entfernt war und mir das folglich nicht bewusst war.)
  • … eine überwiegend konstante Verbindung zur Hand, bei der aber in einzelnen Momenten das Genick etwas eng wird, was gegen eine korrekte Selbsthaltung spricht. (Richtig, in dem Moment waren wir meilenweit von einer korrekten Selbsthaltung entfernt.)
  • dass erste Elemente der Versammlung erkennbar sind, aber keine tragenden Versammlungslektionen. Die Hinterhand bleibt noch relativ flach. Für den Ausbildungsstand in der Basisarbeit ist das akzeptabel. (Auch hiermit hat die KI fast recht: Für dieses Pferd, mit seiner Grundqualität in den Bewegungen, war das dennoch nicht gut. Heute weiß ich, in dem Moment hat der Schatz trotz seiner aktuellen Baustellen und meiner Prüfungsangst wie immer sein Bestes gegeben.)

Ich fühle mich von der KI gut bewertet, eigentlich zu gut. Ich bin selber mit dem Ritt nicht zufrieden – damals nicht und heute erst recht nicht. Trotzdem weiß ich, dass das Fazit der KI auch damals letztlich gestimmt hat: „Das Pferd befindet sich auf einem soliden Weg der Ausbildung. Reiterlich ist die Verbindung harmonisch, die Hilfengebung wirkt überwiegend fein. Der Sitz ist korrekt mit ruhiger Hand. Es fehlt noch etwas an Ausdruck, Durchlässigkeit und Tragkraft, aber die Grundlage ist stimmig.“

Mein Fazit: KI ruhig mal ausprobieren. Gerne gemeinsam, sodass man das die Ergebnisse diskutieren und im realen Leben gegebenenfalls relativieren kann. Und allen Reitlehrerinnen sage ich: KI macht euch nicht überflüssig, im Gegenteil. Denn für echte Verbesserungen braucht es das wirkliche Leben – den Moment und das Gespür!