Runtergewachsen?

Manche Dinge sind so banal, dass man sie sich nie klarmacht. Für mich gehört dazu die Aussage, dass der Huf herunterwachsen muss, bevor man von dem guten neuen Horn profitiert – entweder, wenn auf barhuf umgestellt wurde oder wenn man die Fütterung verändert, weil das Hornwachstum zu wünschen übrig lässt. Das Bild vom herunterwachsenden Huf …

… hat sich so vor unser aller inneres Auge gebrannt, dass man einige Dinge komplett vernachlässigt. Das vielleicht Wichtigste: Der Huf bildet nicht nur vom Kronrand her Horn. Das kann man bereits daran erkennen, dass man zwischen Saumlederhaut, Kronlederhaut, Wandlederhaut, Sohlenlederhaut, Strahllederhaut und Ballenlederhaut unterscheidet.

Zusammengenommen werden sie als Huflederhaut bezeichnet. In dieser sind – im Vergleich zur behaarten Haut – die Papillarkörper kräftig ausgebildet: aus diesen Zöttchen entsteht das Horn. Die Huflederhaut produziert nicht nur neues Horn an Wand, Sohle und Strahl sowie der weißen Linie, sie versorgt die Hornzellen (Hornröhrchen und Hornblättchen) mit Nährstoffen und ist an der Stoßdämpfung und Durchblutung im Huf beteiligt.

Wenn also davon die Rede ist, dass ein Huf einmal durchwachsen muss, bevor bestimmte Probleme (beispielsweise schlechtes Hufhorn) beseitigt ist, dann ist das richtig und falsch.

Stark schematische Darstellung der Lederhäute am Huf, der vermeintlich geringe Anteil der Sohlenlederhaut ist dem Längsschnitt geschuldet. In Wirklichkeit ist sie überall auf der Sohle, nur unter dem Strahl- oder Ballenpolster nicht, dort ist es die Strahl-/Ballenlederhaut. (© C. Götz)

Zwar läuft der Großteil der Wandhorn-Produktion am Kronsaum ab, aber für die zusätzliche Weite und das Material, das der Huf mit seiner Glocken-Form nach unten gewinnen muss, sorgt auch das Hornwachstum der restlichen Huflederhäute. Eine Rolle spielen zudem die Belastung und das Gewicht des Pferdes, wie man am Fohlenhuf schön beobachten kann.

Eine spannende Info für alle, die überlegen, ihr Pferd jetzt barhuf zu stellen. Denn die Hornproduktion wird in der Regel mit der verbesserten Durchblutung ohne Beschlag angeschoben. Einen weiteren interessanten jahreszeitlichen Aspekt des Hornwachstums stellte eine Studie an Przewalskipferden fest: Im Winter wird festeres Horn von höherer Qualität produziert, wenn auch mit geringerem Längenwachstum.

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