Als ich neulich auf ein neues Tool für Reiter stieß, fiel mir diese Zeile aus dem Grönemeyer-Hit Flugzeuge im Bauch ein: „Deine Gedanken sind nicht mehr bei mir. Streichelst mich mechanisch, völlig steril.“ Was das mit Reiten zu tun hat. Ja, das frage ich mich auch.
Meiner Ansicht nach gibt es seit einigen Jahren eine Mechanisierung im Reitsport, die wegführt von dem, was Reiten und die Zusammenarbeit mit dem Pferd ausmachen sollte: hineinfühlen und spüren. Unter diese Dinge, bei denen das Fühlenlernen erschwert oder in Gefahr ist, fallen für mich zum einen Hilfszügel mit Flaschenzug- oder Tools mit Hebelwirkung und zum anderen Trainingsmethoden, die bestimmte Bewegungsschemata vorgeben oder mit fixen Zeitangaben arbeiten. Auch Reitsimulatoren würde ich dazu zählen. Das letzte, was jetzt auf bei uns auf den Markt kam, ist der so genannte Equicube.
Der Kunststoffwürfel ist eigentlich eine Hantel, denn er ist zwei Kilo schwer. Über das Gewicht soll er die innere Skelettmuskulatur trainieren, die Reiter brauchen, um einen ausbalancierten Sitz zu bekommen. Das an sich wäre ja vielleicht gar nicht so schlecht. Doch um welchen Preis?
Der Würfel verhindert die biomechanisch ideale Handhaltung mit dem Daumendach. Dies und die schrägen Griffe plus das Gewicht führen dazu, dass die Arme nicht mehr entspannt gehalten werden können (inklusive Abknicken in den Handgelenken). Eine steife Position für den gesamten Arm und die Schulter sind vorprogrammiert. Die Zügel sind unter den Griffen eingeklemmt. Dies verhindert sowohl feine Kommunikation aus den Fingern (Schwämmchen ausdrücken) als auch Paraden oder Nachgeben mit nur einer Hand*. Auch das Spüren der Tätigkeit des Pferdemauls wird so massiv erschwert. Schnelles und störungsfreies Verkürzen der Zügel ist nahezu unmöglich.
Wird man so ein besserer Reiter? Ich fürchte nein. Sicher kann einem ein Gewicht in den Händen ein Aha-Erlebnis für den Sitz verschaffen. Die fixierte Position der Hände kann einen darauf aufmerksam machen, dass man die Hände ungleich hoch trägt und kann ein Gefühl dafür geben, dass zum Lenken nicht am inneren Zügel gezogen werden soll. Für ersteres tut es ein Medizinball (alternativ ein Paket mit ein oder zwei Kilo Mehl) an der Sitzlonge. Die Handhaltung kann man mit einer Gerte bewusst machen, die waagrecht durch das Dach läuft, das die Daumen beider Hände bilden (und die so auch gleich noch die richtige Handhaltung trainiert). Aber auch die Gerte als Hilfsmittel muss sparsam eingesetzt werden, denn auch sie hat einige der oben genannten Nachteile. Zudem neigt man dazu, sie mit den Augen kontrollieren zu wollen. Etwas, wozu der Würfel ebenfalls verleitet. Die Anweisung des Herstellers, stets darauf zu achten, dass er ganz waagrecht ist, wird dies bei vielen noch verstärken.
Was gibt es nun zu den angeblichen Benefits – der Stärkung der inneren Skelettmuskulatur und dem Finden der Sitzposition – zu sagen? Mehr darüber im Folgebeitrag.
* Allerdings macht er dadurch auch Riegeln nahezu unmöglich und erschwert Hyperflexion.