„Mit diesen Riemen, auch sehr bezeichnend Sperrhalfter genannt, binden wir – primitiv ausgedrückt – das Maul zu.“ Wer das sagte, hat sicher mit der FN nicht viel am Hut – und umgekehrt die FN nicht mit ihm, meinen Sie. Tja, kalt, ganz kalt. Der Autor dieser Zeilen ist eine der historischen Ikonen der FN und bis heute heiß von ihr gehypt …
Leider aber nicht mit seinen Aussagen und Forderungen zu Reithalftern generell. „Reiterlich gesprochen begrenzen wir die Kaubewegung oder verhindern sie ganz, falls wird den Riemen fest anziehen“, erklärt Udo Bürger in seinem Buch „Vollendete Reitkunst“* weiter.
Tierarzt Dr. Bürger, vor dem Zweiten Weltkrieg leitender Veterinäroffizier an der Kavallerieschule in Hannover, beschreibt darin auch, welche Beobachtungen ihn dazu bewogen, selbst auf Reithalfter zu verzichten. Er erklärt die anatomischen Zusammenhänge, „das Spiel des ineinandergreifenden Kupplungssystems: Kaumuskel-Ganasche-Nacken“, und die Notwendigkeit, beim jungen Pferd unbedingt auf Reithalfter zu verzichten, da dadurch „sinnlos von Anfang an ein Zwang im Kiefer ausgelöst wird, der sich auf das ganze Pferd ausdehnen kann“.
Eigentlich unverständlich, dass dies nicht auch in Bürgers 1939 erstmals erschienenem Buch „Der Reiter formt das Pferd“ zu finden ist. Denn anatomisch beschreibt er die Zusammenhänge dort bereits, als er Durchlässigkeit erklärt**: „Das Pferd trägt dabei das Gebiss mit den Kaumuskeln, d.h. bei geschlossener Lippenspalte ist der Unterkiefer leicht geöffnet. Der losgelassene Kaumuskel macht nicht etwa regelmäßige Kaubewegungen, sondern er hält durch ständiges Mitbewegen die Fühlung der Lade mit dem Gebiss.“
Dieses Ideal ist nicht damit zu erreichen, dass dem Pferd das Maul zugeschnürt wird. Das hat sich leider immer noch nicht ausreichend herumgesprochen. Um bei Bürger zu bleiben: Das „unbefangene Kauen“ sollte das junge Pferd ihm zufolge ohne Reithalfter erlernen. Meiner Erfahrung nach kann man es aber sogar Pferden, die das wegen zu enger Reithalfter nie gelernt oder verlernt haben, beibringen. Wie, das erkläre ich im nächsten Artikel.
* Udo Bürger: Vollendete Reitkunst, 4. Auflage 1975, Verlag Paul Parey, Seite 136 ff
** Udo Bürger, Otto Zietzschmann: Der Reiter formt das Pferd, 3. Auflage 2007, FNVerlag, Seite 61