Deckenalarm?

Ich wurde nach dem letzten Artikel gefragt, ob ich denn nun plötzlich kein Decken-Gegner mehr sei. Doch, bin ich. Ich bin weiterhin der Überzeugung, dass nicht nur die meisten Decken überflüssig sind, sondern auch, dass sich sehr viele Pferde ohne Decke wohler fühlen würden. Aber es gibt Fälle, wo eine Decke einfach das kleinere Übel ist.

Macht ihr Pferd so ein Gesicht, wenn sie es eindecken? Dann sollten sie darüber nachdenken, ob es nötig ist oder die Decke nicht passt. (© C. Götz)

Macht ihr Pferd so ein Gesicht, wenn sie es eindecken? Dann sollten sie darüber nachdenken, ob es nötig ist oder die Decke nicht passt. (© C. Götz)

Warum decken die meisten Menschen ein? Weil sie ihr Pferd im Winter richtig bewegen wollen, ohne dass es schwitzt oder schnell wieder trocknet. Dafür wurde es vorab geschoren. Nun braucht es eine Decke, das ist klar. Dass dies im Leistungssport mit all dem Management, das rund um die Tiere betrieben wird, die einfachste Lösung ist, heißt aber nicht, dass sie für alle anderen ebenfalls ideal oder auch nur wünschenswert ist.

Der Dreh- und Angelpunkt der Eindeckerei ohne medizinische Gründe ist das Schwitzen: Mit viel Fell schwitzen die Tiere vor allem bei milden Temperaturen im beginnenden Herbst und zum Frühjahr hin leicht. Im Winter selbst besteht das Problem lediglich, wenn man das Pferd so reitet, dass es schwitzt. Es ist aber fraglich, ob dies im Sinne des Erfinders ist: Pferde schwitzen relativ spät – sie kommen in den Genuss ihrer körpereigenen Klimaanlage erst, wenn sie schon richtig in Fahrt sind – ein Grund, warum Rennpferde vor dem Start den Aufgalopp absolvieren müssen. Bei Trabrennen heißt das Aufwärmen im Renntempo „Heat“. Doch warum hat die Natur das so eingerichtet?

Es gibt nur wenige Schwitzkühler im Tierreich, Kamele etwa: Die schwitzen noch später als Pferde, weil sie als Wüstentiere ja den Flüssigkeitsverlust fürchten müssen. Sie halten sogar Körpertemperaturen bis 41 Grad aus, bevor der Schweiß läuft. Für Pferde gilt ähnliches. Außerdem ist es für sie sinnvoll, auf der Suche nach Wasser und Futter lange Strecken in gemäßigtem Tempo laufen zu können, ohne zu schwitzen.

Interessanterweise wurden bislang beim Pferd weder der Beginn und die Zeitdauer des Schwitzprozesses noch die Menge der Schweißproduktion wissenschaftlich erfasst. Ich bin sicher, dass, sobald die Umstände dieser so genannten UCT-Werte* erfasst wurden, auch eine Diskussion in Gang kommt, ob es trainingstechnisch Sinn macht, Pferde ständig schwitzig zu reiten. Ich meine: nein.

Aus meiner reiterlichen Erfahrung kann ich sagen, dass es gut möglich ist, auch ein Pferd mit dickem Offenstall-Pelz im Winter so zu reiten, trainieren und weiter auszubilden, dass es nicht übermäßig ins Schwitzen kommt. Viel Schritt zu Beginn und angepasste Leistungssequenzen mit ausreichend Schrittpausen sind dabei das A und O und auch aus anderen Gründen förderlich.

* UCT: upper critical temperature = der Körper muss nun Wärme abgeben um nicht zu Überhitzen