Der Flow beim Reiten

Flow – ein Begriff der gerade in aller Munde ist: Weltklasseathleten in allen Sportarten versuchen, ihn möglichst oft zu erlangen. Doch was ist der Flow eigentlich? Gibt es ihn beim Reiten? Und wenn ja, wie sieht der Flow da aus? Hier mal die wichtigsten Elemente der gängigen Definitionen, die auch beim Reiten eine Rolle spielen: Das Aufgehen in einer Tätigkeit, …

… wie man den Flow zumeist erklärt, bezeichnet einen mentalen Zustand völliger Vertiefung, der als absolut beglückend erlebt wird. Typischerweise geht in diesem Schaffens- oder Tätigkeitsrausch auch das Gefühl für Zeit verloren. Eine andere Übersetzung für Flow ist Funktionslust. Diese Bezeichnung trifft wohl am ehesten auf Sportler zu. Die meisten kennen dieses Gefühl – egal ob in Einzel- oder Mannschaftsportarten, bei rhythmischer Sportgymnastik oder beim Rudern – alles geht plötzlich, leichter, einfacher, besser.

Psychologisch betrachtet kann der Flow nur stattfinden, wenn weder Über- noch Unterforderung vorliegen. Der Flow ist frei von Stress und Angst, die aus Überforderung entstehen, und unbelastet von Langeweile und Routine aus Unterforderung. Die Grafik zeigt auch, dass die Gelegenheit für einen möglichen Flow größer wird, wenn sowohl Fähigkeiten als auch Anforderungen steigen. Denn der Flow findet im gesamten Bereich zwischen der roten und blauen Linie statt.

Dieses Diagramm zeigt, dass Flow nur entstehen kann, wenn weder Unter- noch Überforderung vorliegen. Beim Reiten gilt das für Reiter und Pferd. (© C. Löser, Wikipedia)

Typische Beispiele für das Entstehen von Flow, die fast jeder kennt, sind das Eintauchen in Tätigkeiten wie Malen oder Basteln. Auch im Zusammensein mit Menschen kann ein Flow entstehen. Immer dann, wenn das Zeitempfinden aufgehoben ist – wenn ein kurzer Moment sich wie eine wunderschöne Ewigkeit anfühlt oder eine längere Zeitspanne im Nachhinein betrachtet viel zu schnell vergangen ist – hat mit man sich höchstwahrscheinlich im Flow befunden.

Mit dem Pferd kann sich der Flow auf unterschiedliche Arten einstellen:

  • Schon beim Putzen kann ein Flow-Erlebnis auftreten. Schweif verlesen und Mähne kämmen eignen sich dafür ganz ausgezeichnet, denn die meisten Pferde entspannen dabei sehr schnell und wir müssen uns wenig um das Pferd herum bewegen, können also auch leichter in diesen Moment eintauchen.
  • Beim Reiten kann es zu kürzeren oder längeren Flow-Situationen kommen: Beim entspannten Schrittreiten – wenn wir also dem Pferd vertrauen und uns nicht auf andere Reiter oder Verkehr konzentrieren müssen – kann sich sehr schnell ein länger andauernder Flow einstellen. Andere typische Flow-Situationen im Sattel sind beispielsweise, wenn eine Lektion – ein Halten und Rückwärtsrichten, eine Traversale oder ein Zirkelverkleinern und -vergrößern – so harmonisch glücken, dass sich der Reiter ganz mit seinem Pferd verwachsen fühlt. So ein Flow kann auch eine ganze Reiteinheit dauern.
  • Auch bei der Arbeit an der Hand, an der Longe, bei der Freiarbeit oder beim Fahren können Reiter und Pferd in einen – zumeist gemeinsamen – Flow kommen. Denn flutscht es beim Reiter, ist in der Regel auch das Pferd entspannt und motiviert bei der Sache.

Dass auch Pferde einen Flow haben können, zeigt zum Beispiel folgende Pressemitteilung der FN von der aktuellen EM der Vielseitigskeitsreiter: Die 22-jährige Anna-Katharina Vogel sagte nach dem Gelände, bei dem sie mit ihrer Stute eine halbe Minute unter der erlaubten Zeit ins Ziel kam: „Ich kann das Tempo nicht rausnehmen, wenn sie ihren Flow hat. Dann nehme ich ihr den ganzen Rhythmus.“

Über Wege und Möglichkeiten, in einen Flow zu kommen, berichte ich im nächsten Beitrag.