Der humpelt doch

„Der humpelt doch auch“, war der Standardspruch eines mir bekannten Richters*, wenn ein Pferd in einer Prüfung immer wieder Taktstörungen mit einem bestimmten Bein in einer oder mehreren Gangarten zeigte. Ist Taktstörung das neue Lahmen? Eine Frage, die viele gerade beschäftigt.

Um ein wenig Licht in die Sache zu bringen, zuerst einmal die Definition des Lahmens. Die Störung des Gangbildes wird üblicherweise in vier Grade unterteilt:

Lahmheiten werden von undeutlich, geringgradig bis hochgradig unterteilt. (© Wikipedia)

Lahmheiten werden von undeutlich, geringgradig bis hochgradig unterteilt. (© Wikipedia)

Bei der ersten Stufe ist das Gangbild kaum gestört. Es kann sogar passieren, dass es nur in bestimmten Situationen – also nur in einer bestimmen Gangart oder nur in einer Wendung oder nur auf hartem oder weichem Boden – überhaupt zu sehen ist. Es kann sogar passieren, dass der Reiter es nur fühlt und es 99,9 Prozent der Beobachter von unten noch gar nicht sehen.

Probleme mit dem Takt beziehen sich auf das räumliche und zeitliche Gleichmaß aller Schritte, Tritte und Sprünge, als welches der erste Punkt der Ausbildungsskala definiert ist. Es gibt Taktfehler und Taktstörungen. Ursache für – vereinzelt auftretende – Taktfehler ist vor allem zu starke Handeinwirkung. Meist treten sie bei Übergängen auf. Taktstörungen sind mehr als nur einzelne Taktfehler. Häufig sind Taktstörungen bei Pferden zu finden, die nicht über den Rücken gehen. Dafür kommen Verspannungen ebenso in Frage wie schwerwiegende Schäden an den Strukturen oder wenn das Pferd dringend urinieren müsste. Eine typische Taktstörung ist die Zügellahmheit, die sich häufig an einem bestimmten Vorderbein zeigt.

Deutliches Entlasten des immer gleichen Beins, sobald das Pferd steht, ist vor allem bei Problemen in der Hinterhand ein deutliches Signal, dass hier etwas nicht stimmt. (© C. Götz)

Deutliches Entlasten des immer gleichen Beins, sobald das Pferd steht, ist vor allem bei Problemen in der Hinterhand ein deutliches Signal, dass hier etwas nicht stimmt. (© C. Götz)

Interessanterweise zeigt hier der Begriff Lahmheit bereits ein weiteres Unterscheidungsmerkmal: Eine Taktunreinheit – egal ob Kürzertreten oder verkürzte Belastungsphase – die stets auf demselben Bein auftritt, ist eine Lahmheit. Taktstörungen sind außerdem an freilaufenden Pferden kaum zu beobachten, sondern in der Regel unter dem Reiter oder an der Longe. Ist eine Taktstörung ohne menschliche Einflussnahme noch sichtbar, handelt es sich um eine Lahmheit.

Warum aber spricht man von Taktstörung oder Ticken, wenn es sich eigentlich um ein Lahmen handelt? Es ist durchaus menschlich, mit Begriffen zu verniedlichen und sich nicht eingestehen zu wollen, dass etwas um Argen liegt. Zudem sind viele Reiter beim eigenen Pferd betriebsblind, während sie durchaus bei anderen Probleme sehen. Aber es gibt auch wirklich weit ausgebildete Pferdeleute, die in punkto Bewegungsapparat kein Auge haben. Für alle, die besser sehen lernen wollen, demnächst ein paar Anleitungen, wie man das am besten übt.

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* Ich kann jedem nur empfehlen, sich seinem Reitverein beim Turnier für das Schreiben von Dressurprotokollen zur Verfügung zu stellen. Man kann unglaublich viel lernen.