Durchgefallen!

Derzeit wird die Verschnallung der Kandare heiß diskutiert: Sind erst einmal die Verwechslungen zwischen strotzender und durchfallender Kandare aus dem Weg geräumt – die Erstere zeigt einen Winkel von weniger als 45° bei angenommenen Zügeln, die Letztere einen größeren – kommt meist der Spruch, bei einer durchfallenden Kandare falle die Hebelwirkung weg. Hört sich gut an ist aber so nicht richtig

Es zeigen sich beim Selbstversuch mit Kandarenzaum am Unterarm deutliche Unterschiede zwischen strotzender, korrekter und durchfallender Verschnallung. (© C. Götz)

Es zeigen sich beim Selbstversuch mit Kandarenzaum am Unterarm deutliche Unterschiede zwischen strotzender, korrekter und durchfallender Verschnallung. (© C. Götz)

… und ändert zudem nichts daran, dass auch noch andere Probleme entstehen. Der Selbstversuch zeigt folgendes: Der Druck am Genickriemen ist bei durchfallender Kandare (die Kinnkette ist dabei relativ lang eingehakt) deutlich stärker zu spüren. Der Druck an der Stange ist später und nicht so punktuell zu spüren, gleichzeitig kommt nun aber auch deutlich Druck von der Kinnkette. Bei durchfallender Kandare nehme ich automatisch spürbar mehr Gewicht in die Hand als bei korrekter Verschnallung.*

Probieren Sie es selber aus. Mein Fazit: Mit durchfallender Kandare kann man mit deutlich mehr Kilo in der Hand reiten. Der Zügelzug geht dabei in nahezu dieselbe Richtung wie bei der Trense. Allerdings zieht nun der Hebel des Oberbaums die Kinnkette fester wenn der Reiter die Kandarenzügel annimmt. Gleichzeitig wird die Kandare dadurch insgesamt im Maul angehoben, was häufig zu solchen Bildern führt. Dazu kommt, dass der Riemen am Oberbaum dabei auch Druck aufs Genick macht, ähnlich wie dies etwa auch bei einem Gogue der Fall ist. Die Kandare als Hilfszügel?

Korrekt verschnallt (grün) steht die Kandare in einem 45-Grad-Winkel zur Maulspalte. Eine strotzende Kandare (rot) ist scharf, weil die Hebelwirkung sehr schnell eintritt, eine durchfallende Kandare (orange) gibt dem Reiter die Möglichkeit, mit viel Druck auf den Zügeln zu reiten. (© C. Götz)

Korrekt verschnallt (grün) steht die Kandare in einem 45-Grad-Winkel zur Maulspalte. Eine strotzende Kandare (rot) ist scharf, weil die Hebelwirkung sehr schnell eintritt, eine durchfallende Kandare (orange) gibt dem Reiter die Möglichkeit, mit viel Druck auf den Zügeln zu reiten. (© C. Götz)

Zu diesem Schluss könnte man kommen, noch dazu, wenn man weiß, dass die durchfallende Verschnallung besonders häufig von Vertretern der Rollkur genutzt wird, wie Fritz Stahlecker, es hier schon vor zwei Jahren beschrieb. Auch er kommt zu dem Schluss: „Die Vorstellung, dass die dabei lang eingestellte Kinnkette die Kandare sanft mache, ist falsch.“

* Bei einer Kandare mit hoher Zungenfreiheit kann bei durchfallender Verschnallung auch noch der Druck am Gaumen hinzukommen, den man in dieser Art Selbstversuch nicht simulieren kann.