Ich soll mir einen Führstrick um den Bauch binden? Das letzte Mal habe ich als Kind mit meiner Schwester vor dem Haus Pferd gespielt. Doch dann stellt sich sofort eine Selbstverständlichkeit ein. Und mir wird schnell klar, was Claudia mit dieser Übung bezweckt.
Als Pferd schalte ich meinen Kopf aus und reagiere intuitiv. Kann die einzelnen Signale gar nicht mehr rekapitulieren, weil ich Claudia als „stimmiges Einheitswesen“ wahrnehme. Deswegen kann ich auch nicht sagen, warum ich plötzlich so an Tempo zugelegt habe – ihr Antreiben habe ich offensichtlich unbewusst umgesetzt.
Beim Rollenwechsel meldet mir Claudia direkt zurück, wie ungut sich der gespannte Strick für sie anfühlt. Fast so, dass sie als Pferd am liebsten sofort in den Widerstand gehen würde. Mir wird bewusst, welche Wirkung bereits kleinste Unachtsamkeiten haben können.
Etwas verunsichert versuche ich nun, mein „Pferd“ über den Paddock zu führen und es dann vorbereitet zum Stehen zu bringen. Ein „Komm!“ mit Schnalzen soll Claudia antreiben. Dabei merke ich selbst, wie zögerlich und uneindeutig ich auftrete – ein uneindeutiger Mensch kann jedoch keine Führung übernehmen. „Schwammige“ Energien führen zu nichts.
Es kommt auf eine klare Haltung im Inneren an. Erst wenn ich weiß, was ich möchte, kann ich das eindeutig nach außen transportieren. Dann muss ich auch nicht so sehr im Kopf sein und aus dem Verstand heraus jeden einzelnen Schritt mechanisch abarbeiten. Die innere Klarheit macht das energetische Einheitswesen, als das ich Claudia vorher empfunden habe.
Als ich direkt im Anschluss noch einmal Claudias junge Stute führe, benötige ich zwar zwei Anläufe, jedoch beim dritten Mal kann ich das Erlebte von vorher besser umsetzen: Dabei bin ich weniger im Außen bei der Stute, sondern mehr auf mich und mein Vorhaben konzentriert – und das Pferd folgt mir.
Mein Fazit: Die Übung ist für mich wieder einmal ein Beispiel dafür, dass es beim Lernen ein Riesenunterschied ist, ob man ausschließlich eine verbale Erklärung bekommt, bei einer Aktion zusehen kann oder eben in der Rolle selbst steckt und direkt die Erfahrung macht.
Und ganz nebenbei: Diese Erkenntnis möchte ich mir zukünftig auch in der alltäglichen Mensch-zu-Mensch-Interaktion im Bewusstsein halten. Sei dir klar mit dem, was du willst, dann sind Worte im besten Fall nur klangvolles Beiwerk und spielen unter Umständen gar keine so große Rolle mehr (und können vor allem weniger missinterpretiert werden). Sind das Innen und das Außen kongruent, ist das eine klare Richtlinie für mein Gegenüber – egal, ob tierisch oder menschlich.
Liebe Nicki, vielen Dank für deinen tollen Beitrag!