Weil mir die Tage mal wieder der absolute Klassiker der falsch verstandenen Anweisungen über den Weg lief – und ich mich nur zu gut erinnere, welches Aha-Erlebnis seine Korrektur damals bei mir auslöste – möchte ich heute kurz auf die Unterschiede zwischen langem und hingegebenem Zügel eingehen:
Viele Reiter meinen, langer Zügel sei ein komplett durchhängender Zügel. Ist er nicht: „Das Pferd geht am langen Zügel, wenn es den Hals natürlich trägt und eine stete Verbindung mit der Reiterhand hat“, lautet die Definition aus den Richtlinien.* Hingegebener Zügel bedeutet hiernach „wenn keine Verbindung mehr zwischen Hand und Reitermaul besteht“. Wer jemals ausprobiert hat, wie sich ein Gebiss anfühlt, wenn der Reiter einen durchhängenden Zügel fester in seiner Faust einschließt, weiß, dass diese letzte Definition nicht der Realität entspricht. Aber das ist ein anderes Thema und soll ein andermal besprochen werden.
Die Thematik langer und hingegebener Zügel ist für den Reiter meiner Ansicht nach wichtig, Anweisungen im Unterricht oder Empfehlungen für ein Wiederantrainieren richtig umsetzen zu können. Denn wenn es heißt – am langen Zügel –, trauen sich viele nicht, weil sie meinen, sie müssten das Pferd ganz ohne Kontrolle lassen.
Beim langen Zügel wird der Zügel gerade so weit aufgenommen, dass ein feiner Kontakt zum Pferdemaul möglich ist. Dies wird in der Regel beim Warmmachen oder beim Ausreiten aber auch in der Arbeit mit jungen Pferden verwendet. Besonders im Schritt ist der lange Zügel ideal, da der Reiter hier besser der Nickbewegung des Pferdes folgen kann.
Ein Wechsel der Länge des Zügelmaßes – bei dem das Pferd aber von der Definition her am langen Zügel bleibt – ist ebenfalls möglich und sinnvoll: So kann man beispielsweise entweder unter Aufsicht oder durch Hineinspüren in die Bewegung herausfinden, in welcher Kopf-Hals-Haltung das jeweilige Pferd am geschmeidigsten und/oder energischsten durch den Körper geht und sich trägt. Aus physiologischer Sicht besteht der große Vorteil darin, dass sich das Pferd am langen Zügel sehr gut in seiner gesamten Haltung formen lässt, ohne dass dabei groß die Gefahr besteht, dass die Halswirbelsäule in Kompression gerät.
*Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 1, 27. Aufl., FN-Verlag