Pferdebesitzer, die ihre Tiere schon länger haben, stellen häufig fest, dass man wie ein altes Ehepaar wird. Man kennt sich in- und auswendig, die Stärken, die Schwächen, und meint zu wissen, was kommt. Doch immer wieder schaffen es auch die Pferde, einen zu überraschen.
Mein Wallach, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit über einem Jahrzehnt bei mir war, zeigte mir damals sehr deutlich, dass ich ihn unterschätze: Wir machten einen Spaziergang, in den ich etwas Bodenarbeit wie Schritt-Trab-Übergänge und Schaukeln eingebaut hatte. Zudem hatte ich ausnahmsweise einige Leckerchen in der Tasche die ich für die abschließende Arbeit am Podest zuhause eingepackt hatte.
Als sein fragender Blick in Richtung der Tasche, in der sie waren, fiel, sagte ich: „Lass dir was einfallen, dann kriegst du sie gleich.“ Ich staunte nicht schlecht, als er mir daraufhin sofort ein superkorrektes Schulterherein zu meiner Seite anbot (eigentlich seine schlechtere bei dieser Übung). Dann hörte ich mich sagen: „Toll, aber das reicht nicht für die Belohnung, das musst du schon auf der anderen Seite auch noch machen.“ Und er tut es. Also Leckerchen verabreicht.
Und weil mich die kleinen Teufelchen mit ihrem „ich kann’s eigentlich immer noch nicht glauben, was hier gerade passiert“ ja ohnehin schon ritten, sagte ich: „Jetzt nochmal für das letzte Leckerchen.“ Er macht es wieder, nacheinander zu beiden Seiten, und das hat mir wirklich zu denken gegeben.
Und sagt jetzt bitte niemand: „Das sollte es auch – aber nicht weil das Pferd es versteht, sondern weil er so ein Netter ist.“ Das wenigstens weiß ich schon sehr lange. Und seit diesem Tag weiß ich auch, dass einem mit den Pferden viel entgeht, wenn man sie unterschätzt …
* Mit „Mr. Ed“ habe ich scherzhaft jene Beiträge betitelt, in denen es um sehr besondere Interaktionen mit Pferden geht.