„Stuten muss man auf seiner Seite haben“, las ich vor langer Zeit einmal in einem Interview mit einem Springreiter. Seitdem hatte ich reichlich Gelegenheit, Beobachtungen und eigene Erfahrungen zu dieser Aussage machen zu können und bin zu folgenden Schlüssen gekommen:
Zuerst einmal – was bedeutet es ein Pferd auf meiner Seite zu haben? Ein Schlüsselerlebnis dazu hatte ich, als ich mit meiner jungen Stute auf einer Geländestrecke beim Training war. Es war eines der ersten Male; sie sprang einem Führpferd brav und durchaus talentiert hinterher. Alleine den Sprung anzureiten gelang mal besser, mal schlechter.
Um einen guten Abschluss zu haben, wollte ich noch einmal unserem bewährten Führpferd hinterherspringen, doch dessen Reiterin hatte das Training schon beendet und war nicht zu einem weiteren Sprung bereit. Also ritt ich mit dem Gedanken an – „das schaffen wir auch alleine“ – und uns gelang der beste Sprung bisher: rund, kraftvoll, harmonisch, kontrolliert und sie hatte mich perfekt mitgenommen. Wir waren wirklich ein Wir.
Das ging mir auf, als ich nach dem Training über diesen Moment nachdachte. Der Sprung war, auch laut Trainer, richtig gut gewesen. Was also hatte ich anders gemacht? Das Wir, zu dem ich uns gemacht hatte, war der Schlüssel. Davon war ich überzeugt. Ich dachte nur, das hätte ich auch vorher schon in ausreichendem Maße gezeigt. Aber das war wohl nicht der Fall.
Seitdem versuche ich – egal ob Stute oder nicht – das Pferd während des Reitens noch mehr mental einzubeziehen: Ein wenig so, als ob ich das, was ich vorhabe, für einen Außenstehenden kommentieren würde und gleichzeitig mit dem Pferd spreche. Typische Gedanken wären: Lass uns mal schauen, ob dir das Angaloppieren leichter fällt, wenn ich vorher eine Volte reite. Schau dir das Gespenst ruhig an, aber entzieh‘ dich damit nicht der Arbeit. Wir gehen jetzt einmal in Ecke kehrt, damit du merkst, dass dein Trabtempo zu hoch ist. Ein wenig Außenstellung in den Ecken (oder auf dem Zirkel) wird dir helfen, deine innere Schulter freier zu machen.
Viele Dinge würden natürlich auch ohne den entsprechenden, positiv formulierten Wir-Gedanken funktionieren. Mit ihm tun sie es meiner Erfahrung nach aber noch besser, leichter, schöner. Bei der Bodenarbeit oder im Umgang machen viele das fast automatisch: Komm mit, ich zeige dir, dass die Mülltonne nicht gefährlich ist. Warum also nicht auch im Sattel?
Gibt es ein Rezept für das Wir? Ich habe immer wieder festgestellt, dass Pferde zu viel mehr bereit sind, wenn sie den Sinn dahinter verstehen. Doch dass bedeutet letztendlich nur, dass wir selber den Sinn dahinter verstehen und davon überzeugt sind, das Richtige zu tun – und zwar ganz entspannt.