Vor einiger Zeit las ich in einem Pferdeforum eine Diskussion darüber, dass man vor Beginn jeder Reiteinheit zu prüfen habe, ob das Pferd fit sei. Und natürlich kamen erst einmal einige erstaunte Beiträge nach dem Motto – da müsse jemand ja viel Zeit und Geld haben. Dabei ist es eigentlich ganz einfach – hat durchaus Tradition und sollte jedem Reiter schon nach wenigen Reitstunden in Fleisch und Blut übergegangen sein.
Es fängt damit an, dass man das Pferd aus dem Stall oder von der Weide holt und es anschaut. Und zwar richtig! Indem man es bewusst wahrnimmt – seinen Blick (Ist er klar?), seine Körperhaltung (Ist sie anders als sonst?) und seinen Gang (Wie läuft es neben mir: langsamer oder schneller als sonst?). Meine Pferde sind inzwischen absolute Profis, mich bei dieser Aufgabe zu unterstützen: Sitzt meinem Wallach eine Zecke am Ellbogen, die ihn stört, fußt er mit dem betreffenden Bein verzögert auf. Ein kleiner Schnitt in der Fesselbeuge und meine Stute stellt sich beim Putzen nicht mit vollem Gewicht auf das Bein. Pferde lernen schnell, mitzuarbeiten, wenn sie auf diese Art beachtet werden – es ist immer wieder faszinierend, ich erlebe das auch beim Behandeln ständig.
Beim gründlichen und systematischen Putzen kann man neben kleineren Verletzungen oder störenden Stichen auch Verspannungen in der Muskulatur finden. Man kann mit etwas Gefühl auch versuchen, sie mit dem Striegel bereits wegzumassieren. Wer beim Putzen der Beine eine Hand am Pferd und eine an der Bürste hat, bekommt gleichzeitig auch mögliche Temperaturunterschiede mit. Aber nicht nur die Hände, auch die Augen prüfen immer mit. Und das Auskratzen der Hufe dient auch dazu, den Zustand der Barhufe oder den Sitz der Eisen zu überprüfen: Sind Steine in der weißen Linie? Ist ein Nagel locker? Sind der Strahl und die Strahlfurchen okay?
Auch beim Satteln und Trensen lohnt es sich, auf Signale des Pferdes zu achten. Abwehrbewegungen wie Ohrenanlegen, Zähneknirschen oder auch nur Wegdrehen können Indizien sein, dass etwas nicht so ist, wie es sein sollte oder es dort weh tut. Sei es, weil der Sattel nicht (mehr) passt, sei es, weil noch der Muskelkater von der letzten Reiteinheit zwickt.
Beim Warmreiten am langen Zügel habe ich als Reiter die Möglichkeit, beim reinen Eingehen auf die Bewegung zu erfühlen, ob etwas hakt. Leider ist es so, dass kaum jemand diesen Mitnahmemodus wirklich verinnerlicht hat. Viele sind beschäftigt, das Pferd von Anfang an – teilweise auch falsch verstanden – zu treiben, sodass ein reines Mitfühlen der Pferdebewegung gar nicht möglich ist. Aber nur wenn ich selber ganz entspannt und locker bin, habe ich die Möglichkeit, zu spüren, wie das Pferd sich an diesem Tag von sich aus bewegt: Wie gleichmäßig es fußt, ob es einen Unterschied gibt zu der Art wie es sonst läuft oder, bei einem fremden Pferd, um zu erfühlen, wie es sich überhaupt grundsätzlich bewegt.
All dies gibt einem aufmerksamen, mitdenkenden Reiter bereits Hinweise und Gelegenheit, seine weitere Lösungs- und die Arbeitsphase entsprechend diesen Gegebenheiten und Erfordernissen zu gestalten. Und das Tolle: Dieses wertvolle Werkzeug aus Sehen, Putzen, Fühlen braucht nicht mehr Zeit, als wenn man die ganzen Abläufe ohne den Check macht …
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