Pferde sind auch nur Menschen. Die einen fressen bis der Arzt kommt, die anderen hören einfach auf und machen Pausen. Woran liegt es? Vielfach vermuten Pferdebesitzer, dass die Aufzucht schuld ist, wenn ein Tier nicht aufhört zu fressen und zu fett wird. In den Fällen, wo ich es sicher weiß, lässt sich kein Zusammenhang herstellen und auch die Wissenschaft sagt anderes.
Ein Pferd hat kein Sättigungsgefühl wie wir es kennen. Die wichtigsten Unterschiede: Bei uns führen Dehnungsrezeptoren im Magen zu einem Sättigungs- oder Völlegefühl. Die gibt es beim Pferd nicht. Deshalb kann ein Ausbruch in die Futterkammer tatsächlich auch einen Riss der Magenwand zur Folge haben. Bei uns regelt außerdem der Blutzuckerspiegel das Sättigungsgefühl, beim Pferd nicht.
Stellt sich bei Pferden denn überhaupt eine Art Sättigungsgefühl ein? Ganz ehrlich: Man weiß es nicht. Untersuchungen legen folgende Schlüsse nahe:
- Sättigung scheint vor allem in Kombination von Futterselektion und Schrittbewegung aufzutreten, also bei Pferden, die sich ihre Nahrung grasend suchen.
- Der Gehalt an Rohfaser im Darm soll ebenfalls eine Rolle spielen.
- Vermutet wird auch ein Zusammenhang zwischen Anzahl der Kau- und Schluckbewegungen sowie Ermüdung der Kaumuskulatur.
- Futterneid spielt eine Rolle.
- Fressverhalten scheint rasseabhängig: In punkto Fressgeschwindigkeit, aufgenommene Futtermenge und Futterneid sind Nordpferdetypen und Ponys gegenüber Südpferdetypen und Vollblütern vorne.
Auch beim Menschen ist übrigens nach wie vor ist nicht bekannt, wie viele Faktoren am Sättigungsmechanismus tatsächlich beteiligt sind. Studien zeigten, dass psychologische Faktoren eine große Rolle spielen und dass optische Eindrücke das Sättigungsgefühl sogar stärker bestimmen als die tatsächliche Magenfüllung. Erlerntes Essverhalten spielt ebenfalls eine Rolle.
Beim Pferd scheinen die Zusammenhänge noch deutlich komplexer. Verwilderte Hauspferde sind zwar je nach Jahreszeit mehr als gut genährt, aber nie dauerhaft fett – ganz im Gegensatz zu Pferden, die hierzulande ad libitum – also all you can eat – gefüttert werden. Und das wiederum kann eine ganze Menge negativer Folgen und vor allem gesundheitlicher Probleme nach sich ziehen.