Fett ist nicht gleich fett

Bei meinen Behandlungen und Seminaren mache ich immer wieder die Erfahrung, dass sich Pferdebesitzer schwer tun, den Fütterungszustand Ihrer Tiere zu beurteilen. Auch anhand standardisierter Beschreibungen zur Beurteilung der Body Condition kommen viele nicht zu einem realistischen Ergebnis.

Häufig liegt es daran, dass die Unterscheidung von Fett und Muskulatur schwierig ist. Deshalb sind dünne Pferde leichter auszumachen, denn sie haben meist beides nicht. Problematisch wird es dann, wo es eigentlich interessant wird – nämlich ob ein Pferd in einem guten Futterzustand ist oder bereits zu fett. Die meisten Anleitungen für Body Condition Scoring (BCS) bei Pferden sind für wissenschaftliche Untersuchungen gemacht und entsprechend differenziert. Das verwirrt oft mehr, als es hilft.

Zu dünn ist einfacher zu erkennen als zu fett: Diese nicht mehr ganz junge Zuchtstute war nach der Geburt ihres Fohlens kurze Zeit etwas mager: nach dem im Text beschriebenen System einen Punkt unter der idealen Mitte. (© C. Götz)

Zu dünn ist einfacher zu erkennen als zu fett: Diese nicht mehr ganz junge Zuchtstute war nach der Geburt ihres Fohlens kurze Zeit etwas mager: nach dem im Text beschriebenen System einen Punkt unter der idealen Mitte. (© C. Götz)

Ich habe festgestellt, dass es für die meisten am leichtesten ist, den Zustand von Fett über den Rippen fühlen zu lernen. Dafür eignen sich die Anweisungen hierzu aus dem BCS-System von Carroll und Huntington: Danach treten bei 0 (sehr dünn) und 1 (dünn) die Rippen über die gesamte Länge des Rippenkastens ganz deutlich hervor und die Haut über ihnen ist nicht verschiebbar. Bei 2 (mäßig dünn) sind die Rippen noch zu sehen, allerdings meist nicht mehr auf der vollen Länge des Rumpfes. Bei dem Idealzustand 3 (gut) sind die Rippen gerade mit Fett bedeckt, also nicht mehr sichtbar, aber einfach zu ertasten. Bei 4 (dick) sind die Rippen gut mit Fett bedeckt und nur mit starkem Druck noch spürbar und bei 5 (sehr fett) sind die Rippen auch mit starkem Druck nicht zu ertasten – „buried“, also begraben, wie es im Original heißt.

Bei diesen sehr fetten Pferden sind die Besitzer häufig der Ansicht, sie selbst wären nur nicht gut im Spüren dieser Dinge. Wenn man sie dann an einem Pferd mit Zustand 3 testen lässt, ändern sie ihre Meinung meist schlagartig (und auch den Gesichtsausdruck).

In einigen Fällen tauchen nach dieser Rippen-Tastaktion meiner Erfahrung nach noch Unsicherheiten auf, meist ob das Pferd jetzt viel zu dick oder nur etwas zu dick ist. Speziell bei Kleinpferden im Ponytyp, wie etwa Isländern oder Haflingern, kann es vorkommen, dass andere Körperstellen (siehe Zeichnung) zur weiteren Beurteilung herangezogen werden müssen. Meiner Erfahrung nach eignet sich dafür bei Stuten und Wallachen das Kammfett gut. Aber auch hier ist es nötig, dass man an mehreren Pferdetypen ein Gefühl für unterschiedliche Zustände entwickelt.

Diese Stellen werden bei vielen der BCS-Systeme für Pferde zur Beurteilung herangezogen. (© C. Götz)

Diese Stellen werden bei vielen der BCS-Systeme für Pferde zur Beurteilung herangezogen. (© C. Götz)