Die Dogmen des Reitens: Hacken tief

Welche Berechtigung haben Lehrmeinungen, deren Wahrheitsanspruch als unumstößlich betrachtet wird – so eine Definition des Begriffs Dogma – in der Ausbildung von Pferd und Reiter? Und was, wenn es zu diesen Lehrmeinungen jeweils ein nahezu entgegengesetztes Dogma gibt?

Hand ohne Bein, Nase nicht tiefer als Buggelenk, loben nur mit den Zügeln in einer Hand wären Beispiele dafür. Es gibt aber noch viel mehr solcher Wahrheiten die für andere ein Märchen sind. Die Abstellung in Seitengängen wie Schulterherein oder Travers etwa oder ihr Wert in den einzelnen Gangarten. Nach und nach möchte ich einige davon herausgreifen und so neutral wie möglich beleuchten.

Einige Unterschiede haben sich durch einseitiges Herauspicken von Anweisungen ergeben, andere Missverständnisse entstanden durch die Überarbeitung von Büchern durch andere. Und manche Dogmen haben sich durch die Jahrzehnte hinweg aus falsch verstandenen Anleitungen ergeben – etwa das berühmte Absatz tief, das eigentlich heißen müsste: Wade locker! Denn ein Muskel kann immer nur ziehen, nicht schieben. Das bedeutet für den tiefen Absatz, dass ein Anspannen der Muskulatur am Schienbein das Fußgelenk beugt, somit die Fußspitze anhebt und den Absatz tiefer kommen lässt. Damit das überhaupt gelingt muss aber die Wade unbedingt loslassen.

Ein bewusstes Anheben der Fußspitze, also ein Anspannen der Schienbeinmuskulatur, bringt allerdings normalerweise Spannung ins gesamte Bein. Das kann jeder gerne mal für sich ausprobieren. Nur wenn das Bein aber insgesamt locker ist, kann die Pferdebewegung rhythmisch den Unterschenkel des Reiters als treibende Hilfe abholen.

Absatz tief allein reicht nicht: Die Position des Fußes im Bügel hat ebenso individuelle Aspekte wie die Wahl des Sattels oder der Steigbügellänge. (© C. Götz)

Absatz tief allein reicht nicht: Die Position des Fußes im Bügel hat ebenso individuelle Aspekte wie die Wahl des Sattels oder der Steigbügellänge. (© C. Götz)

Ein weiterer Aspekt, der verkrampft sitzende Reiter nach sich zieht, ist die Vorstellung, der Absatz müsse wesentlich tiefer sein als die Fußspitze. Das ist nicht richtig. Ein steifes Bein durch eine heruntergedrückte Ferse ist in keiner Reitlehre erwünscht. Bei den meisten Reitern – ausgenommen sehr große, langbeinige – ist ein funktionaler Sitz dann gegeben wenn die Füße nahezu parallel zum Boden sind.

Während die richtige Steigbügellänge immer wieder zur Diskussion steht erfährt die für den jeweiligen Reiter und seine aktuelle Disziplin optimale Position des Fußes im Steigbügel viel zu wenig Beachtung. Hier gilt analog zur Steigbügellänge: Schon wenige Millimeter vor oder zurück können für deutlich mehr oder weniger Spannung im gesamten Körper des Reiters sorgen. Auch das sollte jeder für sich einmal – am besten mit kompetenter Hilfe von unten – immer wieder ausprobieren. Oder Sie lassen sich filmen. Und wenn Sie schon dabei sind testen Sie auch gleich noch, wie schräg Sie den Bügel für sich am besten aufnehmen um die optimale Unterstützungsfläche zu haben.