Das Pferd als Ersatz

Speziell Reiterinnen wird heutzutage oftmals vorgeworfen, das Pferd als Partnerersatz oder als Kindersatz zu betrachten – es also zu vermenschlichen. Anthropomorphisieren nennt man das in der Psychologie. Aber wo fängt das an? Und wenn ja, woran erkennt man es möglicherweise für sich selbst? Ein paar Studienergebnisse und Beobachtungen …

Dass wir alle Tiere mit menschlichen Attributen versehen ist Fakt: Wir sind es so gewohnt, von klein auf – dem Fuchs aus der Fabel und den drei kleinen Schweinchen aus dem gleichnamigen Märchen sei Dank. Das haben auch zahlreiche Studien zur Anthropomorphisierung gezeigt. Und die meisten von uns machen das nicht nur mit Tieren: Als Erwachsene haben nur 13 Prozent von uns keine vermenschlichenden Gedanken Dingen gegenüber.

Aber wann wird aus dem Pferd das Ersatzobjekt für fehlende menschliche Zuwendung? Tatsächlich dann, wenn wir damit soziale Kontakte ersetzen müssen oder wollen. Studien zeigen, dass eine gewisse Vermenschlichung dazu beiträgt, die Beziehungen zu Tieren positiv zu erleben. Wer aber fehlende menschliche Zuwendung ersetzt, handelt oft anders, als jemand, der aus reiner Freude am Zusammensein mit dem Pferd agiert.

Jede Pferdehalterin will das Beste für ihr Tier, will Vertrauen und eine Bindung, die auf Gegenseitigkeit beruht. So jedenfalls erlebe ich die meisten. Schwierig wird es meiner Beobachtung nach dann, wenn man eigene Wünsche nach Versorgung und Liebe auf das Pferd überträgt und/oder versucht eigene Defizite am Pferd auszugleichen. Ein typisches Beispiel dafür ist Überfütterung oder das Pferd darf nicht auf die Koppel, weil es sich ja verletzen könnte, oder man deckt grundlos ein, aus Angst, dass es frieren könnte.

Das Pferd nicht als Pferd zu sehen, führt zumeist zu Problemen. (© C. Götz)

Ein weiterer Aspekt falsch verstandener Pferdeliebe ist es, wenn den Tieren keine Sicherheit vermittelt wird, wenn der Mensch in für das Pferd kritischen oder ungewohnten Situationen nicht die Führung übernehmen kann, weil er eigentlich unbewusst selber geführt und an die Hand genommen werden möchte.

So passieren nicht nur kleine und große Unfälle, die Pferde werden im Umgang vielfach (auch für andere) gefährlich: Rennen Menschen um, drücken sie an die Wand oder schnappen – oft futterneidisch gesteuert – um sich.

Eine vermenschlichte Beziehung zum Pferd kann auch dazu führen, dass solche Verhaltensweisen als persönliche Attacken erlebt und bestraft werden. So verstricken sich Mensch und Pferd immer mehr in einen Teufelskreis, der tierschutzrelevant werden kann.

Fakt ist: Wer ein Pferd hat oder das Reitenlernen ernst meint, der wird nicht umhinkommen, Zeit zu investieren. Allein das ist ein Punkt, den viele Nichtreiter nicht verstehen und/oder falsch einordnen. Wenn man sich also sicher ist, dass man nicht in die Partner-Kind-Ersatz-Falle tappt, kann man gut kontern, wenn man damit konfrontiert wird – falls man das überhaupt möchte …