Die kleine Herde hat sich neu sortieren müssen – ein halbes Jahr ist es her, dass der Herdenchef auf die ewig grünen Weiden gezogen ist. Er hinterließ eine deutliche Lücke. Er hatte, wie sich erst nachträglich zeigte, von uns oft unbemerkt viele Dinge geregelt. Das fehlte den Zurückgebliebenen jetzt.
Spannend zu beobachten war dann in den folgenden Wochen nicht nur, wie sich die älteste Stute des Führungsjobs annahm. Eher widerwillig und anfangs auch recht unsouverän – klar, sie hatte vorher gut zwanzig Jahre lang offensichtlich gerne die Führung von anderen akzeptiert.
Doch bevor ich mir Sorgen um sie machen konnte, wandelte sich das Bild. Ich muss vorwegschicken, dass sie zwei Jahre zuvor einen Unfall gehabt hatte, dessen Folgen länger nachwirkten, außerdem hatte ein gebrochener Backenzahn sie ein Jahr zuvor schlagartig abbauen lassen. Sie war zwar schon wieder gut im Futter und altersgerecht passabel Training, dennoch war es krass, wie sie nun schlagartig weiter aufbaute – richtig: auf, nicht ab – und zwar nicht nur in Sachen Muskulatur.
Ich weiß nicht mehr, wann es mir auffiel, aber irgendwann schaute ich aus dem Fenster und dachte: Wow, sieht die gut aus. Und das obwohl sie im Stehen schildernd schlief.
Die Oberlinie wieder richtig harmonisch, ein ganz anderer Habitus. Noch krasser und schneller hatte nur mein erstes Pferd umgemuskelt und aufgebaut, als ich ihn nach seinem ausgeheilten Sehnenschaden eingefahren hatte.
Und dann ließ ich die letzten Wochen vor meinem inneren Auge Revue passieren: Irgendwann war ihr recht unsicheres Sich-Behaupten und Andere-Zurechtweisen in wesentlich feinere Signale übergegangen: Ein Sich-Größermachen, ein Höhertragen von Hals und Kopf, ein „Ich-könnte-dich-gleich-disziplinieren“ aus einer versammelten Haltung heraus, waren das Ergebnis. Und das trainierte sie besser, als ich das die letzten Monate vermocht hatte und ohne dass ich Arbeit damit hatte. Auch mal schön …
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