Die Tage fiel mir die Aussage eines Tierarztes wieder ein. Er sagte, die am besten bemuskelten Pferde mit den wenigsten Problemen im Bewegungsapparat habe er in seiner Praxis bei Reitern gesehen, die vorzugsweise in allen Gangarten ins Gelände gingen und zwar überwiegend am langen Zügel. Da der Mann auch gelernter Bereiter ist, war ich sehr interessiert, wie er sich das erklärt.
Er antwortete mit einem Buchtipp* und mit einem Negativ-Beispiel, das ich mal mit meinen eigenen Worten wiedergebe: Dressur sei leider von vielen Reitern falsch verstanden. Das führe zu einem schablonenartigen Reiten von Kopf-Hals-Haltungen, was sich schädlich auf die Anatomie des Pferdes auswirken würde und wiederum zu Problemen und Erkrankungen im Bewegungsapparat, speziell den Extremitäten und des Rückens führe. Reiter, die hingegen regelmäßig mit ihren Pferden in allen Gangarten ins Gelände gingen und ihnen dabei den Hals lang ließen, hätten nur einen Bruchteil dieser Probleme.
Ich stimme ihm da absolut zu. Denn wenn man die Pferde dazu bringt, sich in allen Gangarten bei möglichst freier Halshaltung auszubalancieren führt das in der Regel dazu, dass sie sich selbst tragen. Dies ist in der Hauptsache eine Frage der eigenen Balance und weniger der dressurmäßigen Hilfengebung. Wer dann noch vernünftig aufwärmt und lange genug nach dem letzten schnellen Galopp Schritt geht, wird wenig Schaden anrichten.
Im Gegenteil. Denn er wird mit Sicherheit Asphalt gehen, was gut für die Sehnen ist. Er wird zwangsläufig auf unebenen Untergründen reiten, was die besonders wichtige innerste Skelettmuskulatur der Pferde trainiert. Er wird wenig (schlecht gerittene) Ecken, Volten oder Wendungen reiten, die immer den Gelenke schaden.
Aber natürlich kann man auch beim Reiten im Gelände Dinge machen, die dem Pferd auf Dauer schaden:
- Die Pferde werden nicht entsprechend auftrainiert sondern müssen von Null auf 100 laufen oder sie werden generell überlastet – also über ihren derzeitigen Trainingsstand hinaus belastet.
- Das Training findet nur am Wochenende statt und hat dann die Form von Mehrstunden- oder Tagesritten.
- Die Pferde werden unter dem Sattel sich selbst überlassen, was oft in pullen oder rasen ausartet.
- Es wird über längere Strecken nur auf einem Fuß leichtgetrabt oder immer nur auf einer Hand galoppiert.
* Der Buchtipp des Tierarztes war: „Der Reiter formt das Pferd“ von Udo Bürger. Ich persönlich finde Bürgers „Vollendete Reitkunst“ noch besser. Denn es vermittelt trotz des etwas irreführenden Titels auch unglaublich gut die Grundlagen des Reitens. Mein Tipp: Antiquarisch aus den Auflagen des Paul Parey Verlags kaufen, nicht die neu verputzte Ausgabe.