Das ist weder polemisch noch sarkastisch gemeint, es ist einfach so. Das wurde mir wieder mal klar, als ich kürzlich ein Reitbuch lektorierte. In der englischen Originalausgabe schreiben die Autorinnen zum englischen Reithalfter: „A cavesson noseband is used for aesthetic reasons …“. Ästhetische Gründe – das erzählt einem hierzulande niemand!
Was in England, den USA und Down Under Allgemeingut ist, ruft hierzulande Verwunderung hervor. Braucht man Reithalfter doch vielfach zur Produktion blauer Zungen und um zu verhindern, dass die Handfehler durch Sperren des Mauls sichtbar werden. Aber halt – ich wollte weder polemisch noch sarkastisch sein. Zurück zum Einsatz von Reithalftern: „… or to attach a standing martingale“ lautet der Satz im Buch weiter. Das stehende Martingal, das bei uns schon vor einigen Jahrzehnten für den Turniereinsatz verboten wurde und deshalb in Vergessenheit geriet, findet nämlich in den angelsächsischen Ländern häufig Verwendung. Es wird in den Nasenriemen des englischen Reithalfters eingeschnallt.
Auch nicht sehr freundlich, der Ruck auf der Nase, den das gibt, wenn das Pferd mit dem Kopf schlägt. Aber aus Pferdesicht vermutlich sogar angenehmer als das Metall auf den Laden* beim gleitenden Ringmartingal. Beide haben – korrekt, also lang genug, verschnallt – den gleichen Zweck: den Reiter vor einem Zusammenstoß mit dem hochgeworfenen Kopf des Pferdes zu schützen.
Vor allem Springreiter wussten das stehende Martingal in Deutschland deshalb lange Zeit zu schätzen. Allerdings kann man ein stehendes Martingal nicht in den Nasenriemen des – damals beliebten – hannoverschen Reithalfters einschnallen. Die Gefahr, dass das Nasenbein des Pferdes bricht, ist einfach zu hoch. Da die Springreiter aber das stehende Martingal weiter benutzen wollten, erfanden sie das kombinierte Reithalfter: Am Nasenriemen konnte man das stehende Martingal einschnallen, der Sperrriemen sorgte für eine Wirkung wie beim hannoverschen und damit eben für volle Kontrolle über das Maul.
Über die Auktionspferdeszene fand das kombinierte Reithalfter dann Eingang in die deutsche Reiterwelt. Eine seiner englischen Bezeichnungen ist übrigens „Aachen Noseband“. Als Modeerscheinung ist es allerdings ein wenig auf dem absteigenden Ast, denn die immer zierlicheren Pferdeköpfe kommen so verschnürt gar nicht mehr gut zur Geltung. Weniger (Leder) scheint da mehr. Immer mehr Hersteller bieten Trensenzäume mit englischen Reithalftern an. Und wenn jetzt auch noch dafür gesorgt wird, dass die nur aus „ästhetischen Gründen“ – also schön locker verschnallt – am Pferd sind, dann wäre mal wieder ein kleiner Schritt zu glücklicheren Pferden getan. Denn auch wenn die deutsche Reiterwelt das immer noch meint: Brauchen tut man Reithalfter nicht wirklich. Warum das so ist, folgt hier in Kürze …
* Auf den Laden des Pferdes, dem zahnfreiem Raum, in dem das Gebiss Platz findet, bedeckt lediglich eine wenige Millimeter dicke Schleimhaut den Knochen.