Anatomie für Reiter: Die Schulter (2)

Neben den anatomischen Gegebenheiten der Knochen haben Muskeln und Faszien einen wichtigen Anteil an der Schulterfreiheit. Vor allem der breite Rückenmuskel spielt dabei eine große Rolle. Direkt hinter der Schulter liegt sein stärkster Teil. Ist er verspannt begrenzt er den Vortritt der Schulter.

Er schränkt dann die Schulterfreiheit ein. Dies kommt aus verschiedenen Gründen relativ häufig vor. Auch ein kurzes Festhalten im Rücken wirkt sich in der Regel sofort negativ auf die Schrittlänge aus. Denn über die Anbindung des breiten Rückenmuskels an die Lenden-Rückenfaszie überträgt sich dieses Festhalten nach vorne auf die Schulter. Auch Gang- oder Taktstörungen aus der Hinterhand oder Probleme im Becken können so nach vorne übertragen und hier oft deutlicher sichtbar werden.

Das Pferd besitzt kein Schlüsselbein. Der Rumpf ist allein durch Muskeln mit der Wirbelsäule verbunden. (© C. Götz)

Für uns als Reiter ist einer der wichtigsten anatomischen Punkte, dass die Schulter des Pferdes nicht wie beim Menschen durch ein Schlüsselbein mit der Wirbelsäule verbunden ist. Das Gewicht des Rumpfes – und des Reiters – wird allein durch Muskeln getragen (siehe Zeichnung). Die verschiedenen Muskel(schichte)n, allen voran der rot eingezeichnete Sägemuskel (auch großer Rumpfträger genannt), verbinden das Schulterblatt mit der Wirbelsäule und den Rippen. Diese rein muskuläre Aufhängung fungiert als Stoßdämpfer – nicht nur für das Pferd. Funktioniert sie optimal ist auch weitestgehend erschütterungsfreies Reiten möglich.

In der Regel verläuft das Schulterblatt parallel zum Fesselbein der Vorhand. Dies ermöglicht optimale Stoßdämpfung bei geringstem Verschleiß. Unterscheiden sich die Winkelungen von Schulter und Fessel stark, könnte es zu Problemen kommen oder es sind bereits welche vorhanden.

Ein Pferd kann sich – auch unter dem Sattel – mit dem Rumpf zwischen den Schultern „verkriechen“ und sich darin aufrichten, sich größer machen. Das Größermachen geht so weit, dass darin echtes Wachstumspotenzial steckt: Denn wenn die Muskeln der Rumpfaufhängung, korrekt trainiert, stärker werden halten sie den Rumpf auch in entspanntem Zustand eine Idee höher zwischen den Schulterblättern als vorher.

Normalerweise wird jedes Pferd mit Reiter zuerst einmal etwas „kleiner“. Bei jungen Pferden ist es vor allem die Rumpfaufhängung, die fürs und mit Reitergewicht trainiert werden muss. Wird das nicht korrekt gemacht, geschieht es leicht, junge Pferde durch Überlastung in eine Trageermüdung oder Trageerschöpfung zu reiten. Im schlimmsten Fall wird der Trageapparat irreparabel geschädigt.

Im nächsten Beitrag geht es um Übungen und Lektionen, die dazu dienen die Funktionalität der Schulter zu optimieren.