Zügelkunde (2)

Viele kennen nur den klassischen Baumwollzügel mit Lederstegen in Schulbetriebs-Einheitsbreite und erfahren nie, wie schön es ist, mit einem zur eigenen Handgröße und dem gewählten reiterlichen Schwerpunkt passenden Zügel zu reiten. Ich weiß das, weil ich selbst die ersten dreißig Jahre mit nicht wirklich passenden Zügeln geritten bin.

Das ist nicht wirklich schlimm, aber auch nicht schön. Und ein passender Zügel kann viel zum guten Reiten beitragen. Denn ein passender Zügel hat in der Hand Platz. Er sorgt dafür, dass man eine optimale entspannte und geschlossene Zügelfaust formen kann. Das trägt enorm dazu bei, eine feine Reiterhand zu entwickeln.

Die klassischen Baumwollzügel mit Stegen gibt es in unterschiedlichen Breiten und Längen. Ihre Vorteile: Sie sind relativ günstig, und sie haben, auch wenn sie nass werden, immer noch recht guten Grip. Deshalb sind sie auch die bevorzugten Zügel von Reitschulen sowie von Spring- und Vielseitigkeitsreiterinnen*. Die Nachteile: Nicht nur günstige Ware ist vor allem anfangs oft relativ hart und die Stege können auch stören.

Westernzügel aus Leder gibt es offen, als so genannte Split Reins (oben), und geschlossen. (© C. Götz)

Eine Weile waren Gummizügel recht verbreitet. Es gibt sie auch immer noch. Da sie dicker sind, sollte man eine geringere Breite probieren, um nicht zu viel in der Hand zu haben. Nicht zu verwechseln sind diese mit gummierten Zügeln, bei denen ein Gummiband im Gurtband mit eingewebt ist, das es elastisch macht. Gummierte Zügel sind sehr leicht und deshalb als Langzügel oder für Doppellongen sehr schön.

Die größte Vielfalt an Formen und Breiten gibt es wahrscheinlich bei Lederzügeln: von einem einfachen Lederriemen in unterschiedlichen Lederqualitäten und -stärken bis zu flach oder rund geflochtenen Lederzügeln geht die Bandbreite. Die Vorteile eines Lederzügels sind unterschiedlich. Ein weicher Lederzügel liegt sehr gut in der Hand und kann ausgezeichnet nachgefasst und störungsfrei hingegeben werden.

Ein schwerer Lederzügel, wie er etwa im Westernsport Verwendung findet, kann gut über sein Eigengewicht, das Zügelgewicht, wirken. Dies gilt für alle Reitweisen, bei denen auf blanke Kandare am losen Zügel geritten wird.

Ebenfalls im Western- aber auch im Wanderreiten finden Seilzügel Verwendung. Sie können – auf unterschiedliche Arten und in unterschiedlichen Durchmessern geflochten – aus Baumwolle oder Polyester bestehen. Neben optischen Faktoren unterschiedlicher Natur spielt beim Wanderreiten auch die Einsatzmöglichkeit als Anbindestrick eine Rolle. Hierfür werden Sie mit Snaps, einer Art Minikarabinerhaken, am Gebiss bzw. am Halfter gefestigt. Strickzügel können, je nach Machart, sehr weich aber auch eher starr sein.

Im Distanzsport hat seit Jahrzehnten das Material Biothane seine Fans: Das Polyester-Gewebe mit Kunststoffummantelung ist leicht, nimmt keine Feuchtigkeit auf und ist in vielen Breiten und Farben zu erhalten. Allerdings kann es auch schnell rutschig werden, vor allem, wenn man nicht mit Handschuhen reiten möchte.

Im nächsten Beitrag geht’s unter anderem darum, wie man seinen idealen Zügel findet.


* Immer noch am Gendern.