Dr. med. Eckart von Hirschhausen befasst sich in seinem Buch „Wohin geht die Liebe, wenn sie durch den Magen durch ist?“ unter anderem damit, wie unser Gehirn die Signale von Auge und Ohr verarbeitet. Was das mit Liebe zu tun hat? Falls Sie das interessiert, sollten Sie das Buch lesen. Wenn Sie wissen wollen, was das mit Pferden zu tun hat, dann hier mehr.
Hirschhausen erklärt am Beispiel eines Bauchredners, dass unser Gehirn die Informationen des Auges quasi bevorzugt: Obwohl wir hören, dass die quäkende Stimme aus dem Kehlkopf des Bauchredners kommt, „glauben“ wir dem Auge, das sich an den übergroßen Lippen und Bewegungen der Puppe festsaugt. Ähnlich ungerecht bevorzugt das Gehirn den Sehsinn auch bei Synchronisierungen ausländischer Filme. Es stört uns nicht im Geringsten wenn die Lippenbewegungen nicht exakt zum Gehörten passen – außer wir wollen uns gerade daran festbeißen, wie mies der Film synchronisiert ist.
Was aber machen Pferde? Wie handhaben ihre grauen Zellen die Verarbeitung der Informationen von Auge und Ohr? Da man mit Pferden selten über die Qualität von Synchronisationen oder die Perfektion von Bauchrednern diskutiert bleiben nur Beobachtungen aus dem Pferdealltag. Als Fluchttier muss das Pferd jedes unbekannte Signal – ob akustisch oder visuell – ernst nehmen. Der sich nähernde Faschingsumzugswagen mit musikalischer Volldröhnung ist jedes Jahr wieder eine Herausforderung. So lange bis er dann im Blickfeld auftaucht. Dann wird er eher interessiert beäugt.
Das Gleiche beobachten viele Pferdebesitzer auch an Silvester: Können die Pferde das Feuerwerk sehen sind sie meist ruhiger als wenn sie die Knallerei nur hören. Ein Pferd, das vor etwas erschrickt will sehen, was das war. Im Gegensatz zu Eseln, die meist erst schauen und dann entscheiden was zu tun ist, geht das Pferd durch schnellen Galopp auf sichere Distanz. Nach durchschnittlich 400 Metern bleibt es normalerweise wieder stehen, um sich wieder zu orientieren.
Scheuklappen, die traditionell beim Fahren verwendet werden, sind übrigens in erster Linie dazu da, um in Zwei- oder Mehrspännern die Peitschenhilfe für die nicht angesprochenen Pferde quasi unsichtbar zu machen. Auch hier dominiert also das Auge das Ohr.