Das rockt

Wenn Pferde Gespenster sehen kann das die unterschiedlichsten Gründe haben. Einen der lustigsten, den ich mal erleben durfte, kam zustande aufgrund eines Rocks.

An diesem Tag – ich war damals noch Einsteller – hatte ich das frisch gewaschene Halfter im Auto und entschloss mich, das Pferd direkt nach dem Austeigen, noch in Arbeitskleidung, von der Koppel zu holen und erst danach Reitkleidung anzuziehen. Denn erstens sparte ich mir so einen Weg und zweitens hatte ich Turnschuhe an, es sollte also keine Probleme geben.

Ich marschierte los und pfiff dem Pferd, das am Ende der Koppel hinter einem kleinen Hügel außerhalb meiner Sichtweite mit dem Rest der Herde graste. Nach wenigen Sekunden, erschien es, im Trab auf mich zukommend. Als es mich erblickte, schwang es sich auf der Hinterhand herum und raste im Galopp zur Herde zurück.

Vor 100 Jahren waren diese so genannten Humpelröcke modern. Wenn Sie etwas in der Art am Pferd tragen – rechnen Sie vorsichtshalber mit Überraschungen. (© Francisco Javier Gosé, Wikipedia)

Vor 100 Jahren waren diese so genannten Humpelröcke modern. Wenn Sie etwas in der Art am Pferd tragen – rechnen Sie vorsichtshalber mit Überraschungen. (© Francisco Javier Gosé, Wikipedia)

Ich hatte nicht bedacht, dass mich das Pferd mit zwei Beinen kannte, und nicht nur mit einem: Denn ich trug an diesem Tag einen relativ engen, fast knöchellangen Rock aus festem Baumwollgewebe. Es war dann ein bisschen stimmliche Überzeugungsarbeit nötig, bis ich das Tier am Halfter hatte. Dass der gewohnte zweibeinige Anblick nun ein raschelndes einbeiniges Monster bot, hätte sicher nicht jedes Pferd aus der Fassung gebracht, aber doch einige.

Viele Reiter bemerken solche Dinge beispielsweise, wenn sie bei einer Reiterrallye mitmachen, bei der sie sich verkleiden müssen oder bei einem Kostümreiten antreten. Weite, lange Umhänge oder Taucherflossen können sich durchaus als Hürde im sonst vertrauensvollen Miteinander auswirken.

Doch zurück zu meinem Rock: Was war passiert? Die bekannten Signale „Stimme“ und „Pfiff“ wurden von der unbekannten Silhouette überlagert. Eine Rolle spielte vermutlich auch die zu und völlig unterschiedliche Wahrnehmung von Bewegungen.

In der Natur verändert jedes sich schnell nähernde Wesen – etwa ein anderes Pferd oder ein Raubtier ständig sein Form. Fluchttiere, wie das Pferd, nehmen Bewegungen besonders intensiv war. Ein Raubvogel wird nur beachtet, wenn er laut flatternd oder kreischend auffliegt. Ein Segelflugzeug findet, auch wenn es relativ niedrig dahingleitet, praktisch keine Beachtung.

„Auge schlägt Ohr“, habe ich an anderer Stelle geschrieben und einige Beispiele aufgeführt. Ein Titel, den man auch für diese Geschichte hätte wählen können.