Eine Schwachstelle

„Ich kenne kein Pferd, das nicht irgendwo ein Problem hat“, war die Aussage, für die der Equipechef der deutschen Dressurreiter, letzten Sommer mächtig Schelte bezog. Geäußert hat er das im Zusammenhang mit der Totilas-Eliminierung. Aber er hat nicht Unrecht.

Jedes Pferd hat – genau wie jeder Mensch – eine ganz persönliche körperliche Schwachstelle. Beim einen ist es der Bewegungsapparat, beim anderen das Herz-Kreislauf-System, der Stoffwechsel oder die Atemwege. Man selber bekommt vielleicht immer wenn einem kalt wird eine Blasenentzündung, der Partner in derselben Situation entweder Rückenschmerzen oder einen Schnupfen.

Die haben alle was – nämlich eine individuelle Schwachstelle. Wie sie es zeigen kann ebenfalls recht eigen sein. (© C. Götz)

Die haben alle was – nämlich eine individuelle Schwachstelle. Wie sie es zeigen, kann ebenfalls recht eigen sein. (© C. Götz)

Die Schwelle, die als Auslöser für die persönliche Schwachstelle dient, ist unterschiedlich hoch. Und zwar von Lebewesen zu Lebewesen und für jedes Individuum nach Tagesform. Geht es einem gut, ist das Immunsystem stark und man verträgt mehr von den Dingen, die einen sonst krank machen können. Je öfter man eine Erkrankung bereits hatte, umso leichter bekommt man sie in der Regel wieder und umso geringer muss meist der auslösende Reiz sein. Dafür dauert es dann aber immer länger, bis man es erneut im Griff hat.

Bei Pferden ist das nicht anders. Klar gibt es auch die mit der unglaublichen Konstitution, die nie krank sind, aber sie sind selten. In der Regel haben sie eben „alle irgendwo ein Problem“.

Gesundheit ist die Eigenschaft, die sich laut einer Umfrage nahezu alle Freizeitreiter von ihrem Pferd am meisten wünschen. Man kann etwas dafür tun: Man kann sich die Schwachstellen des eigenen Pferdes bewusst machen. Man kann lernen, in ein Pferd hineinzuspüren, wann ihm etwas zu viel wird. Und man kann lernen, darauf Rücksicht zu nehmen. Und zwar bevor das Pferd ernsthaft krank wird.

Dazu gehört auch, gut einschätzen zu können, ob das eigene Pferd eher hart im Nehmen ist oder eher ein Schmerz-Sensibelchen. Üblicherweise tendieren viele Pferde dazu, sich möglichst nichts anmerken zu lassen. Das ist als Fluchttier durchaus sinnvoll.

Was im weitesten Sinne für den ganzen Organismus gilt, trifft auch auf den Bewegungsapparat zu: Jedes Pferd wird bei Überlastung oder im Alter an einer anderen Stelle, auf eine andere Art Probleme bekommen. Bei den einen wird die Muskulatur leicht zu fest, bei anderen entzünden sich die Bänder; bei manchen sind es eher die Hinterbeine, die Schwierigkeiten machen, bei anderen der Rücken oder die Vorhand. Wer hier frühzeitig eingreift, muss sich nicht selbst diesen blöden Satz sagen hören: „Eigentlich habe ich da schon länger ein ungutes Gefühl.“