Geknickt ist falsch

Falscher Knick – den Begriff kennen viele, oft ohne genau zu wissen, was dabei passiert. Und wo: beim zweiten, dritten oder vierten Halswirbel? Im Prinzip ist schon der Begriff falsch, denn die Halswirbelsäule des Pferdes kann an keiner Stelle „richtig“ knicken.

An diesem Skelett kann man die Halswirbel gut abzählen, auch wenn die physiologisch normalerweise stärker ausgeprägte S-Form ihres Verlaufs nicht eingerichtet wurde. (© Les Chetfield, Wikipedia)

An diesem Skelett kann man die Halswirbel gut abzählen, auch wenn die physiologisch normalerweise stärker ausgeprägte S-Form ihres Verlaufs nicht eingerichtet wurde. (© Les Chetfield, Wikipedia)

„Der höchste Punkt ist nicht mehr zwischen den Pferdeohren im Genick, sondern im ersten Teil des Halses, in der Regel zwischen dem dritten und vierten Halswirbel zu finden.“ So steht es in den Richtlinien.* Schaut man sich Bilder von einem Skelett an, stellt man fest, dass der dritte und vierte Halswirbel ganz schön weit unten im Hals sind. Sieht man sich Bilder von falschen Knicken an, sieht man häufig einen Bereich sehr viel näher am Genick, der dann der höchste Punkt ist und auch wie Knick in der Oberlinie wirkt (siehe Zeichnung). Warum ist das so?

An der Oberlinie des Pferdes kann ein falscher Knick in unterschiedlichen Halshaltungen anders wirken. (© C. Götz)

An der Oberlinie des Pferdes kann ein falscher Knick in unterschiedlichen Halshaltungen anders wirken. (© C. Götz)

Oder besser gefragt: Was genau passiert dabei eigentlich? Normalerweise sollte sich die Halswirbelsäule des Pferdes beim Reiten längen – in jeder Haltung. Bei einem falschen Knick gerät die Halswirbelsäule in Kompression und zwar nicht nur an einem einzelnen Punkt.

Aus osteopathischer Sicht gibt es zu einer Blockierung nämlich immer eine Gegenblockierung. Dieses Prinzip tritt auch auf, wenn der Reiter einen falschen Knick erwirkt. Wie auch die Richtlinien es beschreiben, hat der Reiter es dabei geschafft, „die Anlehnung mit rückwärtswirkenden Händen zu erzwingen.“ Der Punkt, wo das jeweilige Pferd in der Halswirbelsäule dem Druck nachgibt, liegt zum einen am Exterieur des Pferdes zum anderen an der Art zu reiten – an zu tiefer, enger oder zu hoher Einstellung.

Die Punkte – Blockade und Gegenblockade sozusagen – an denen das Pferd den Druck kompensiert liegen ebenfalls an unterschiedlichen Stellen. So kann ein falscher Knick in der Halswirbelsäule auch im Bereich der Sattellage der Brustwirbelsäule seinen Gegenspieler finden. Ein Pferd hat aber auch die Möglichkeit nahezu unsichtbar zu knicken – und zwar im Übergang von der Hals- zur Brustwirbelsäule.

Immer aber sind die Folgen auf Dauer fatal: Es können massive Verspannungen, Entzündungen und daraus wiederum Arthrosen der Facettengelenke der Wirbel entstehen. Auch Rückenmark und Nerven können dadurch geschädigt werden. Besonders fies: Das Pferd kann auch nur so aussehen, als ob es einen falschen Knick hätte. Mehr darüber in einem der nächsten Beiträge.

* Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 1, 27. Aufl., FN-Verlag, S. 177