Gruppendynamik

Immer wieder habe ich in meinem Pferdekosmos unter dem Titel Mr. Ed über sehr spezielle Momente der Kommunikation von Menschen mit Pferden berichtet. Hier nun mal etwas über einen besonderen Aspekt der Verständigung von Herden- und Schwarmtieren untereinander. Oder anders formuliert: Wer bewegt wie viele?

Es ist bekannt, dass Pferde sich vorwiegend mit Körpersprache verständigen. Dabei setzen sie nicht nur einzelne Körperteile wie Gliedmaßen, Kopf, Ohren, Maul oder Schweif ein sondern auch ihren ganzen Körper, indem sie etwa seine Position – oft für uns Menschen unmerklich – verändern. Bestimmte Vorgänge im Zusammenleben allerdings lassen sich allein damit nicht wirklich erklären: Das bekannteste Phänomen ist, dass eine große Herde gleichzeitig losrennt. Beobachten können die meisten von uns diesen gruppendynamischen Aspekt nur in Naturfilmen an Zebras, Gnus oder Antilopen.

Biologen haben so genanntes Schwarmverhalten in Versuchen vor allem an Fischen und Vögeln untersucht. So stellte man fest, dass jeweils fünf bis zehn Prozent der Tiere die Richtung vorgeben. Der Rest tut es ihnen in Sekundenbruchteilen nach, wie Aufnahmen mit Hochgeschwindigkeitskameras zeigen. Experimente zeigten, dass sogar Menschenmassen sich wie eine Herde oder ein Schwarm gemeinsam bewegen, wenn fünf bis zehn Prozent Anführer zum selben Zeitpunkt die neue Richtung vorgeben.

An Vögeln lässt sich Schwarmverhalten hierzulande am einfachsten beobachten. (© Kumon, Wikipedia)

An Vögeln lässt sich Schwarmverhalten hierzulande am einfachsten beobachten. (© Kumon, Wikipedia)

Wieso aber diese fünf bis zehn Prozent Säugetiere, Vögel oder Fische an verschiedenen Positionen der Herde oder des Schwarms zum gleichen Zeitpunkt dasselbe tun, wurde bislang nicht erfasst. Klar ist: Sie haben keine Handys oder Walkie-Talkies. Dennoch muss eine für uns nicht sichtbare Form der Kommunikation ablaufen. Einige Forscher sind deshalb inzwischen der Auffassung, dass die Tiere über eine Art siebten Sinn verfügen.

Eine interessante Beobachtung, die viele Pferdebesitzer diesbezüglich immer wieder machen, ist beispielsweise: Eine Gruppe von Pferden lässt sich manchmal von dem Erschrecken, Durchgehen oder Verweigern eines einzelnen Tieres anstecken und manchmal wackelt keines der anderen Tiere auch nur mit dem Ohr. Bei einem Ausritt in der Gruppe lässt sich dies öfter beobachten: Ein Pferd bekommt anfallsartige Panik vor irgendwas und die anderen bleiben die Ruhe selbst.

Aus Sicht der Schwarmforscher wäre dieses Pferd vermutlich keines der Tiere mit der Lizenz zum Richtungsweisen. Meiner Beobachtung nach könnte auch folgendes eine Rolle spielen: Bleiben die anderen gelassen, hat das entweder damit zu tun, dass sie die vermeintliche Gefahr besser beurteilen können oder sie spüren, dass die eigentliche Motivation sie nicht betrifft, da es um etwas anderes geht.