Immer noch bekommt man bei Zungenfehlern oder Zähneknirschen den Ratschlag, das Reithalfter einfach mal enger zu schnallen. Dass dies nur eine kosmetische Geschichte ist, dämmert dabei vielen. Warum es aber tatsächlich Gift für die Pferde ist, wissen die wenigsten.
Dass es ohne Reithalfter geht, sieht man an der Jungpferdeausbildung im Westernreiten, die mit Wassertrense und ohne Reithalfter beginnt. Auch bei der traditionellen englischen Reitweise, wie sie in England, Australien, Neuseeland und den USA gepflegt wird, ist man überwiegend der Ansicht, dass Reithalfter lediglich den Look eines Pferdes verbessern oder zum Einschnallen eines stehenden Martingals nötig sind. Bei diesen und bei Westernpferden sieht man typischerweise auch keine großen Schaumflocken vor dem Maul, sondern einen feinen Schaumrand an den Lippen, wie ihn die meisten Pferde zeigen, die entspannt auf dem Gebiss kauen.
Zwar ist die Speichelproduktion von Pferd zu Pferd unterschiedlich, aber große Schaumflocken taugen nicht als Indiz für ein entspanntes Abkauen. Im Gegenteil: Der Pferdespeichel wird in der Regel dann zu flockigem Schaum „geschlagen“, wenn ein Pferd hochfrequent auf dem Gebiss „knatscht“. Aus dem Maul fliegt er dann meist in großen Flocken. Denn ein Pferd, das so zugeschnürt ist, dass es nicht richtig abkauen kann, kann auch nicht mehr schlucken. Zudem muss man wissen, dass beim Pferd, wie beim Menschen auch, die Atmung beim Schlucken kurzfristig unterbrochen wird. Deswegen kann ein Zuviel an Speichel zu noch mehr Stress führen. Ausgelöst aber wiederum wird der Speichelfluss nur durch Kauen; quasi ein Teufelskreis. Denn das Kauen wird wiederum durch reflektorisch durch die Einwirkung des Gebisses auf Zunge und Maulwinkel ausgelöst.
Alle Argumente für ein Reithalfter sind leicht zu widerlegen, wenn man nur anfängt, sie zu hinterfragen: Man hört immer wieder, ein Reithalfter verteile den Druck – etwa aufs Nasenbein – oder sorge für eine ruhigere Lage des Gebisses im Maul. Nun hat aber im Pferdemaul Druck nichts zu suchen und der Reiter sollte ohne Zwangsmittel in der Lage sein, dafür zu sorgen, dass das Gebiss ruhig liegt – mit seiner Kontakt bietenden und einfühlsamen Hand. Und wenn doch einmal Druck aufkommt – sei es bei einem Anfänger oder aus der Situation heraus – dann sollte das Pferd die Chance haben, sich danach durch Abkauen wieder zu entspannen.
Viel zitiert ist die angebliche Funktion des „Anlehnens“ junger Pferde im Unterkiefer an das Reithalfter. Das ist anatomisch nicht nötig, denn die Backenmuskulatur ist ohnehin im Schließen des Mauls stark. Wesentlich schwächer ist sie im Öffnen der Kiefer. Dies macht es überhaupt möglich, dass man es mit einem dünnen Lederriemen schafft, es völlig zuzusperren. Mit massiven Folgen für die Gesundheit und reiterliche Nutzung. Dazu mehr in Kürze im dritten Teil …