Vom Schieben und Ziehen

Normalerweise hört man in reiterlichen Diskussionen oft die Stichworte Schieben und Tragen. Gemeint ist der Unterschied von Schubkraft und Tragkraft der Hinterhand und damit unterschiedliche Ausbildungslevel bzw. Ziele der Ausbildungsskala. Aber wer hat schon mal vom Ziehen gehört? Ein Punkt, der grundsätzlich bei allen Pferden Beachtung finden sollte.

Kurz vorweg: Schubkraft bedeutet, dass das Pferd gelernt hat, mit der Hinterhand vermehrt unter den Schwerpunkt zu treten. Tragkraft braucht das Pferd immer dann, wenn es eine Bewegung versammelt und in Selbsthaltung ausführt. Schubkraft ist die unbedingte Voraussetzung für Tragkraft. Auch Schubkraft muss also erarbeitet werden.

Den Begriff Ziehen findet man normalerweise im Pferdesport wenn es ums Fahren geht oder um Nachzucht – wenn man also Fohlen zieht.

Akute Überlastung durch Ziehen und Stemmen wird in der Regel am Karpalgelenk sichtbar. Es ist die Schnittstelle zwischen dem mit Sehnen und Bändern (grün) versehenen Teil unterhalb (Röhrbein bis Huf) und dem auch mit Muskulatur (rot) ausgestatteten Unterarm. (© C. Götz)

Das Ziehen von dem hier die Rede ist, ist ein zu selten verwendeter Begriff bei der Ausbildung und Korrektur von Pferden. Er beschreibt das weit verbreitete Phänomen, wenn (junge) Pferde noch keine ausreichende Schubkraft entwickelt haben und zu viel mit der Vorhand arbeiten, indem sie den ganzen Körper mit deren Hilfe nach vorne bringen, anstatt den Hauptteil der Arbeit mit einer gut untersetzenden Hinterhand zu erledigen.

Manchmal hört oder liest man in dem Zusammenhang auch den Begriff Stemmen. Das ist der Anteil im Bewegungsablauf des Ziehens, der oft deutlich sichtbarer ist. Fakt ist: Auch hier übernimmt die Vorhand Arbeit, die im Hinblick auf langfristige Gesunderhaltung von der Hinterhand geleistet werden muss.

Oft tritt das Ziehen erst auf wenn die Pferde müde werden. Das könnte man unter anderem daran erkennen, dass sie den Rücken wegdrücken, mit dem Kopf hochkommen, die Anlehnung unstet wird, sie sich auf die Hand legen oder sich Taktverluste oder Stolpern einstellen. Hält man das Pferd in so einem Moment an, bemerkt man oft ein Zittern der Vorderbeine, ein- oder beidseitig. In der Regel findet das Zittern als eine Art Schlackern im Vorderfußwurzelgelenk statt.

Der Grund: Die gesamte Sehnen- und Muskelkette der Vorhand, die tätig wird sobald das Vorderbein aufgesetzt hat, wird beim Ziehen und Stemmen bis in die Schulter hinein bei jedem Schritt überlastet. Jeder, der sich schon einmal selbst kräftemäßig überfordert hat kennt das typische Muskelzittern. Es findet – wie auch das Zittern zum Warmwerden nach Verkühlung oder zum Abbau von Adrenalin nach einem Schock mit etwa acht bis zwölf Hertz statt und ist eine Notfallmaßnahme und Selbstheilungsprozess des Körpers.

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