Zungenfehler verstehen

Der Trend, sich bei Zungenfehlern einer ausrüstungstechnischen Gegenmaßname – etwa eines Zungenstreckers – zu bedienen, wird meiner Beobachtung nach weniger. Und auch wenn die Ansicht, dass Zungenfehler mit dem Reiten kommen und nur durch konsequente, gefühlvolle Reiterei wieder gehen können, sich weiter durchsetzt, liegt dennoch diesbezüglich vieles im Argen.

Doch was versteht man genau unter einem Zungenfehler? Das reicht vom Zunge übers Gebiss nehmen über das Zungenstrecken nach unten aus dem Maul heraus bis zu einem leicht seitlichen Zeigen der Zunge.

Oft hört oder liest man, ein Zungenfehler sei immer erlernt. Das ist richtig und gleichzeitig falsch. Ich kenne keinen Zungenfehler, bei dem nicht eine körperliche Komponente ursächlich beteiligt war. Zungenprobleme zeigen immer einen – akuten oder chronischen – Schmerz an. Nur seine Ursache kann höchst unterschiedlich sein:

  • schlechtes oder grobes Reiten
  • unpassende oder falsch verschnallte Gebisse
  • Zahnprobleme
  • scharfe Laden
  • osteopathische Blockierungen (z.B. Zungenbein, Kiefergelenk, Genick)
  • frische Verletzungen oder Allergien

Einen Zungenfehler kann man also nur dann übers korrekte, feinfühlige Reiten beseitigen, wenn die körperlichen Ursachen vorher ausgeschlossen, geklärt und/oder beseitigt sind. Nicht immer ist es möglich, Strukturschäden, etwa in Form einer Genickbeule oder Zungenverletzung, so zu heilen, dass der Zungenfehler komplett abzustellen ist.

Leichtes seitliches Zungezeigen sieht man bei vielen Pferden. Zumeist dient es dem Abpuffern des Gebisses. (© R. Simmer)

Im Zweifelsfall kann das heißen, dass man – zumindest zeitweise – auf gebissloses Reiten oder ein Ledergebiss, das die Laden schont, ausweichen muss.

Im besten Fall hat man die körperlichen Probleme abgestellt und kann dann anfangen, das Pferd davon zu überzeugen, dass es seine Zunge nicht mehr als Schmerzpuffer braucht. Sehr hilfreich kann dafür sein, das Reithalfter komplett zu entfernen oder zumindest sehr lose einzustellen. Und zwar mehr als die geforderten zwei Finger. Denn bei vielen Zungenfehlern ist die enge Verschnallung der Reithalfter ursächlich am Problem beteiligt und das Pferd wird davon immer wieder an den Schmerz und das Verhalten erinnert.

Tipp: Auch einen leichten Zungenfehler, wie das Hochziehen der Zunge bei leicht geöffnetem Maul oder starkes Spielen mit dem Gebiss, ernst nehmen!

Einen Artikel zum Thema Zähneknirschen finden Sie hier.