Vergessen Sie die Wiese nicht!

Es spricht sich langsam herum, dass Übergewicht für Pferde schädlich ist und oft Folgeerkrankungen nach sich zieht. Ein Trend ist derzeit, das zu fütternde Heu abzuwiegen. Dabei vergessen viele häufig etwas von dem, was das Pferd sonst noch bekommt. Erstaunlich oft ist das die Koppel …

Wenn ich bei einem übergewichtigen Pferd nach der Aufzählung der Futtermittel nachfrage, ob es nicht auf die Koppel kommt, ernte ich in der Regel ein empörtes „doch, natürlich!“. Aber wenn Stroh oder vierstündiger Koppelgang oder Kraftfutter („nur eine Schaufel“*) nicht mit berechnet werden, dann werden die Pferde zügig zu fett.

Um die Grasaufnahme einschätzen zu können, muss man vor allem bedenken, wie viel auf der Wiese steht und wie der Zugang ist (z. B. Portionsweide oder stundenweiser Koppelgang). Unser Beispiel-Pferd wiegt 500 kg und steht in einem Stall, in dem ab Mai angeweidet wird und bis in den Oktober gut Gras vorhanden ist. Von Juni bis August steht das Gras so hoch, dass mit Portionsweide etwa 25 kg Gras pro Pferd täglich zur Verfügung stehen. Das entspricht einer reinen Fresszeit von zwischen fünf und acht Stunden**. Um auf seinen (bei einer Stunde leichter Arbeit täglich) errechneten Bedarf zu kommen darf unser Pferd jetzt nur noch knapp drei Kilo Heu pro Tag fressen, wenn es nicht zunehmen soll – kein Kraftfutter, kein Stroh.

Auch auf mageren Koppeln nehmen die Pferde je nach Länge der Weidezeit oft noch so viel auf, dass die Heufütterung deutlich reduziert werden muss. (© R. Simmer)

Soll ein Pferd abnehmen, müssen in eine sinnvolle Rationsberechnung nicht nur alle aufgenommenen Futtermittel einfließen, sondern auch deren Gehalt. Vergleicht man zwanzig Jahre alte Futtermittelbücher für Pferde mit neueren Ausgaben erhält man sehr unterschiedliche Angaben für das Hauptfuttermittel Heu. Das gilt auch für Heuanalysen. Und tatsächlich werden inzwischen einige Pferde mit Heu gefüttert, das vergleichsweise weniger Kalorien und Nährstoffe (z. B. Eiweiß) enthält. Der Grund sind etwa die Grünland-Maßnahmen der Bundesländer, wodurch vielerorts ungedüngtes überständiges Heu für Pferde genutzt wird. Weitaus häufiger wird aber immer noch Heu von stark gedüngten Wiesen mit gehaltvollen Hochleistungsgräsern gefüttert.

Wer sich bei der Beurteilung der Futterverwertung nicht auf sein Auge verlassen möchte, wird zumindest eine grobe Einschätzung der Kalorien seiner Futtermittel und Weide nicht herumkommen und bei schwierigen Abnehmkandidaten idealerweise eine genau Analyse und Berechnung vornehmen.

Übrigens: Neben der Wiese wird auch Stroh – egal ob aus der Einstreu oder als Fresspausenverkürzer im Offenstall gerne vergessen, wenn man das Futter überschlägt.

* Eine handelsübliche Futterschippe fasst eineinhalb Liter. Bei Müsli und Hafer sind das (wenn wie üblich zweimal täglich Kraftfutter gegeben wird) mindestens 15 MJ pro Tag zusätzlich. Der Bedarf unseres Beispiel-Pferdes liegt aber insgesamt nur bei etwa 65 MJ.

** Das Fresstempo bei Gras variiert Studien zufolge stark. Je kürzer die Pferde auf der Koppel sind, umso schneller (und damit bei freiem Zugang mehr) fressen sie im Vergleich.