Wechseln Sie mal die Stellung, ist ein Rat, den viele Reiter beherzigen sollten. Dabei geht es bei dieser Empfehlung weder um Bewerbungsschreiben noch das Kamasutra, sondern um das anscheinend komplett in Vergessenheit geratene Reiten-in-Stellung. Das ist eine super Lektion für Reiter und Pferd, wenn es im Sattel mal nicht so geschmeidig läuft, wie man möchte.
Ich weiß nicht, warum das Reiten-in-Stellung so sträflich missachtet wird. Damit tut man dem Reiten-in Stellung Unrecht. Denn es heißt nicht umsonst 2. Stellung, während das Schultervor früher vor allem unter dem Namen 1. Stellung bekannt war. Der Unterschied ist die Bewegungsrichtung (siehe Bild unten) und damit die Lastverteilung: Beim Schultervor ist es – wie beim daraus zu entwickelnden Schulterherein – das innere Hinterbein, das zur vermehrten Lastaufnahme angeregt wird. Beim Reiten-in-Stellung ist es das äußere Hinterbein. Auch im Schultergürtel ändert sich die Lastverteilung etwas.
Ich nutze es selbst, bei 80 Prozent meiner Reiteinheiten in der Aufwärmphase, um die Geschmeidigkeit meiner Pferde zu prüfen und zu verbessern. Pferde, die eher zum Festmachen neigen, macht es geschmeidig. Eher instabile Pferde werden damit stabiler und Pferde, die zum Schlängeln oder Schiefmachen tendieren, kommen besser an die Hilfen. Grundsätzlich kann man sagen, dass Reiten-in-Stellung (übrigens auch als Bodenarbeitsübung) für das Pferd einen ähnlichen Effekt hat, wie wenn wir auf einem am Boden liegenden Seil balancieren: Es stärkt die innerste Skelettmuskulatur und fördert die Selbsthaltung. In den Richtlinien* findet man als Wirkung lediglich, dass es – genau wie das Schultervor – die Längsbiegung verbessert und das schmalere Spuren der Hinterbeine anregt.
Darin stimme ich mit den Richtlinien überein. Was ich allerdings gar nicht nachvollziehen kann ist die Aussage, dass der Unterschied zwischen Schultervor und dem Reiten-in-Stellung nur geringfügig sein soll. Ich finde, man spürt einen gewaltigen Unterschied, wenn ein Pferd die 2. Stellung korrekt beherrscht und man diese regelmäßig anwendet.
Für die Anwendung der Lektion in der Bahn bieten sich der zweite Hufschlag und besser noch die Viertellinie an: Wenn man hier in kurzen Reprisen das Reiten-in-Stellung nach links und nach rechts praktiziert (auf einer 40 Meter langen Seite etwa drei Mal in jede Richtung), wird man auf kurzer Strecke das Pferd besser geschmeidig gemacht haben, als durch kilometerlanges Lösen auf größeren gebogenen Linien.
Laut Richtlinien soll man beim Reiten-in-Stellung erkennen, dass das Pferd „mit dem inneren Beinpaar auf einer Hufschlaglinie“ fußt, während das äußere Hinterbein etwa eine halbe Hufbreite „zwischen den Vorderbeinen sichtbar wird“. Nicht vergessen sollte man diesbezüglich aber, dass – abhängig von Pferd und Ausbildungsstand – auch unterschiedliche Grade an Biegung möglich und sinnvoll sein können.
Für den Ausbilder ist das zum Überprüfen natürlich eine klare Anweisung. Der lernende Reiter braucht andere Bilder. Mehr darüber im nächsten Beitrag.
* Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 2, 12. Aufl., FN-Verlag, S. 48