In meinem letzten Beitrag zur Verfeinerung der Hilfengebung und dem dahinterstehenden Grundprinzip habe ich angekündigt, noch mehr Beispiele dafür zu bringen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Es gibt nämlich jeweils auch Fallbeispiele zu den Themen Parade und Bügeltritt …
Fast zwanzig Jahre liegt folgendes Erlebnis aus meinem eigenen Reitunterricht zurück: Die Entdeckung des Achtel-Parädchens. Als sich der Reiterlehrer direkt hinter X stellte und ich auf der Zirkellinie immer ganz nah an ihm vorbei musste, kam nach einigen Runden ein wundervoll verbesserter Trab in Takt und Anlehnung zustande. Er hatte – wie er mir nachher verriet –, das Pferd bei jedem Vorbeireiten stimmlich pariert, ohne dass ich es hören konnte. Damit hatte er mir einen Teil Arbeit an einer sehr feinen Parade abgenommen. Denn mein eigener Takt war gleichgeblieben, sodass dies als Nachtreiben ausreichte. Wir waren beide begeistert von meinem Pferd, das auf seinen Versuch so fantastisch eingestiegen war.
Die meisten von uns kennen halbe und ganze Paraden. Letztere führen immer zum Halten. Halbe Paraden werden laut Richtlinien* „durch kurzes, vermehrtes Einschließen das Pferdes zwischen den Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen gegeben, dem eine nachgebende Zügelhilfe folgt.“ Viele Reiterinnen** haben tatsächlich nur den ersten Teil verinnerlicht und vergessen das Nachgeben. Mit dem Effekt, dass die Pferde auf die Hand kommen und fest werden. Das ist aber noch nicht alles, was man über die Parade wissen muss.
Auch die Richtlinien sind der Ansicht, dass eine halbe Parade kein einmaliger Vorgang ist, sondern „wird im Bewegungsrhythmus so oft wiederholt, bis sie ihren Zweck erfüllt hat“. Einer meiner Lieblingsautoren, Udo Bürger, schreibt***: „Wir würden bei unseren Schülern ein besseres Verständnis für die Handhabung der Zügel im Zusammenhang mit dem Gang erwecken, wenn wir nicht nur von ganzen und halben, sondern auch von Viertel- und Zehntelparaden sprechen würden, je nachdem, ob wir vier oder zehn Tritte dazu brauchen, um mit vorsichtigen Einzelparaden durchzukommen.“
Anders ausgedrückt: Keine Parade ist wie die andere, es gibt wie bei anderen Hilfen auch hier zahlreiche Abstufungen in der Intensität – oder sollte es zumindest geben. Und nicht nur das: Auch unser Körper muss anders agieren, denn halbe Paraden als Übergänge vom Galopp in den Trab oder Schritt geritten, werden sich schon bei ein und demselben Pferd anders gestalten, als halbe Paraden zum Einleiten von Volten im Arbeitstrab.
Welchen Effekt Paraden bei der Vorbereitung und Einleitung von Lektionen habe, habe ich in diesem Artikel beschrieben.
* Richtlinien Band 1, 27. Aufl., 2000, FN-Verlag
** Ich gendere – und das hat einen Grund.
*** Udo Bürger: Vollendete Reitkunst, 4. Auflage 1975, Verlag Paul Parey