Krank vor Sorge

Bei der jährlichen Konferenz der Organisation World Horse Welfare ging es Ende letzten Jahres auch darum, was einen verantwortungsvollen Besitzer ausmacht und dass ein Zuviel an Pflege und Sorge auch schaden kann. Dabei kam mir der Gedanke, dass bei vielen Pferdebesitzern eine ähnliche Entwicklung wie bei den so genannten Helikopter-Eltern beobachtet werden kann.

Der Begriff Helikopter-Eltern bezeichnet überfürsorgliche Eltern, die wie ein Beobachtungs-Hubschrauber ihre Kinder überwachen und behüten. Im skandinavischen Sprachraum gibt es die Bezeichnung Curling-Eltern, die ich sogar noch treffender finde: Wie bei diesem Sport rotieren die Eltern hektisch um ihr Kind, um ihm alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Studien zeigten, dass betroffene Eltern Risiken, die ihren Kindern drohen, systematisch falsch einschätzen. Das überbehütende Verhalten führt bei den Kindern vielfach zu Verhaltens-, Lern- und Essstörungen.

Helikopter-Eltern werden in Skandinavien als Curling-Eltern bezeichnet: Immer um die Kinder besorgt und bestrebt, für freie Bahn zu sorgen. (© Jonathan Pope, Wikipedia)

Wo sind die Parallelen zu den Pferdebesitzern? Wie erkennt man, ob man ein Helikopter-Besitzer ist? Und kann dies dem Pferd schaden?

Typische Situationen, entstehen auch bei der Überbehütung von Pferden, wenn man sie vor vermeintlichem Schaden schützen will. Ein klassischer Fall ist das Bandagieren – vor allem nachts in der Box. Heute weiß man, dass es nicht nur keine Stützfunktion hat, sondern den Pferdebeinen sogar schadet, indem es die Durchblutung und den Lymphfluss stört. Dennoch wird es vielerorts noch fleißig praktiziert.

Das Eindecken ist ein ähnlicher Fall: Mutter Natur hat Pferde perfekt für das Überleben im Freien ausgerüstet – zu jeder Jahreszeit. Weil aber sportliches Reiten für viele nicht mit dickem Fell vereinbar ist, wird im Winter geschoren. Leider wird aber auch eingedeckt ohne zu scheren, und auch ohne sportliche Nutzung. Und inzwischen wird auch eingedeckt, wenn es warm ist, weil es regnet oder weil ein paar Fliegen fliegen. Immer mehr Stallbesitzer erhalten Anweisungen mit detaillierten Angaben zu Temperatur und Grammstärke der dazu passenden Decke. Der Schaden für die Pferde zeigt sich dann vor allem als mangelndes Training für das Immunsystem und als Überbelastung für den Kreislauf wenn es wärmer wird.

Es gibt aber viele weitere Bereiche, wo es Helikopter-Besitzer nur vermeintlich gut oder besser machen als Pferdehalter, die deutlich weniger engagiert vorgehen: Wer feuchte Babytücher nimmt, um mehrmals wöchentlich den Intimbereich zu reinigen oder das Pferd mit Pflegesprays und -salben von unten bis oben vollschmiert bringt die Haut aus dem Gleichgewicht und provoziert Entzündungen.

Das Gleiche gilt fürs Füttern von mineralisierten Müslis und Mash zusätzlich zum Kraftfutter ohne jede Rationsberechnung. Da kann man nur hoffen, dass die Ausscheidungsorgane Leber und Niere noch nicht völlig überlastet sind. Etwas, was typischerweise bei zu dicken Pferden passiert. Das sind übrigens zumeist diejenigen, denen „Mami“ für die Nacht noch schnell ein Heunetz gestopft hat, das dem Erhaltungsbedarf eines ganzen Tages entspricht.

Jeder Pferdebesitzer weiß, dass es manchmal nicht ganz einfach ist, der Obhut zu vertrauen und sich keine Sorgen zu machen. Genau das ist aber der Schlüssel zum Loslassen: Und diese Entspanntheit tut auch den Pferden gut. Spätestens, wenn Sie sich dabei ertappen über Ihren so gar nicht besorgten Miteinsteller zu denken, es sei ungerecht, dass der sich – aus Ihrer Sicht – um nichts kümmert, und sein Pferd dennoch nie krank ist, wunderbar mitmacht, ihm so viel Spaß bereitet, sollten Sie anfangen, umzudenken.