Das am häufigsten angebrachte Argument gegen das Spazierengehen ist: Ich will mein Pferd reiten. Tun Sie das. Aber vielleicht interessieren Sie ja meine Argumente, warum es für jeden Pferdemenschen von Vorteil ist, wenn er und sein Pferd gelernt haben, entspannt miteinander spazierenzugehen.
Kennen- und schätzengelernt habe ich Spaziergänge mit dem Pferd vor über zwanzig Jahren mit einem Korrekturpferd, das kein Vertrauen zu Menschen mehr hatte, das kein Gelände kannte und dessen Bewegungsapparat durch Überlastung gelitten hatte. Die Spaziergänge im Wald gaben der Stute – zusammen mit Bodenarbeitsübungen wie Halten und Stehen – Ruhe und trainierten gleichzeitig ganz schonend Gleichgewichtssinn, Trittsicherheit, Kraft und Kondition. Damit war die Grundlage geschaffen, das Pferd als Freizeitpartner zu vermitteln. Eine Stellung, die es bis zu seinem Lebensende noch viele Jahre innehatte.
Auch mit meinen eigenen Pferden bin ich danach regelmäßig spazierengegangen. In jedem Lebensalter und Trainingsstatus haben sie davon profitiert. Hier eine Übersicht, wie ich Spaziergänge nutze:
- Besonders für junge Pferde sind Spaziergänge vertrauensbildende Maßnahmen. Sobald Vertrauen geschaffen ist, kann man auch ohne Begleitpferd als Vorbild gut an der Verkehrssicherheit arbeiten.
- Für erwachsene Pferde sind Spaziergänge eine Trainingseinheit die entspannt und dennoch Kondition fördern kann – alles im flüssigen Vorwärts, bei frei getragenem Hals. Schon eine halbe Stunde Schritt lockert und entspannt in der Regel, mehr sorgt auch für Kondition. Wer Steigungen einbaut oder Elemente wie Trab-Schritt- oder Trab-Halten-Übergänge sowie Schulterherein oder Rückwärtsrichten nutzt, kann damit an Selbsthaltung und Kraft arbeiten.
- Für ältere Pferde sind Spaziergänge eine tolle Möglichkeit, Fitness und Kraft zu erhalten und die Belastung des Rückens zu minimieren. Sie können auch – genau wie bei jungen Pferden – die Einheit mit Führen anfangen und beenden und nur dazwischen reiten.
- Pferde, die sich in der Reha befinden, müssen bei vielen Erkrankungen am Bewegungsapparat Schritt geführt werden. Es ist ein Riesenvorteil, wenn das Pferd das bereits kennt und schätzt.
- Besonders (sehr kleine) Ponys können damit auch von Erwachsene gut trainiert und beschäftigt werden.
Nur wer es ausprobiert wird merken, wie sehr die Pferde Spaziergänge genießen. Sie müssen dabei auch keine Angst haben, ein (gesundes) Pferd körperlich zu überlasten. Nur bei ganz jungen Pferden, die noch gar nichts gesehen haben sollte man die Umweltreize anfangs dosiert verabreichen. Heißt: Nicht gleich die Autobahnbrücke überqueren, um dann eine Stunde an einer vielbefahrenen Zugstrecke entlangzugehen, sondern erst einmal weniger aufregende Strecken wählen.